Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar
Autoren: Edward Bryant
Vom Netzwerk:
Zauberer.“
    „Sehr wahr“, fiel Blau-Jade ein, „sieh dich um.“
    Da bemerkte Obregon, daß die Kuppel der Kammer nicht mehr glattes Metall war, sondern ein Haufen kiesiger Trümmer. Langsam erhob er sich und half Tourmaline auf. Sie standen in einer leeren Wüste.
    Cafter, der sich die Schläfen rieb, stand ihnen gegenüber. „Schaut euch um“, sagte auch er, „Terminex hat uns einen langen Marsch erspart.“
    Sie wandten die Köpfe und sahen die Stadt in geringer Entfernung daliegen. „Seht ihr dort?“ sagte Blau-Jade und wies nach vorn. „Rauch!“
    „Sieht aus, als ob Craterside Park brennt“, sagte Cafter, „und andere Bezirke ebenfalls.“
    Sekundenlang standen sie stumm und reglos, starrten einander an.
    „Gehen wir nach Hause“, sagte Obregon.
     
     
    Coda
     
    Durch die Bodenverwerfungen der Wüste windet sich ein staubiger Pfad um windverschliffene Hügel, über trockene Strombetten, durch verklumptes, buschiges, graues Unterholz. In gerader Richtung, doch immer in Sichtweite des Pfades, verläuft der aufgehöhte Bahnkörper. Seit Jahrhunderten ist hier kein Zug mehr gefahren, und die Geleise sind von graugrünem Unkraut überwachsen. Auf den Signaldrähten bläst der Wind atonale Scherzos, wenn auch selten jemand vorbeikommt, der sie vernimmt. In Stadtnähe ist der Weg mit ausgebrannten Hülsen einstiger Autobusse gesäumt.
    Dann kommt der Grüngürtel, ein meilenbreiter baumbestandener Grasstreifen, der jedoch nicht mehr, wie einst, von lautlosen kleinen Maschinen in Ordnung gehalten wird.
    Endlich: Die Stadt Cinnabar. Sie ist ein Schmelzfluß aus Glas-Stalagmiten und Metallwänden auf den Kämmen der roten Klippen, der zum schmalen Strand und dann zum Ozean hinunterbröckelt.
    Die Wüste. Der Grüngürtel. Die Stadt. Das Meer. Das ist anscheinend so ziemlich alles, was an Welt vorhanden ist. Es heißt, daß die Geleise zu einer Stadt namens Eis führen. Aber das weiß niemand genau; keiner kann sich erinnern, jemals soweit gereist zu sein.
    Heute quält sich ein Vierertrupp den Weg nach Cinnabar entlang. (Einst waren sie fünf, aber irgendwo und irgendwann wird aus einem Stückchen Sein ein Punkt werden, und dieser Punkt wird zur Linie, und die Linie gebiert eine Fläche, und diese Fläche rotiert um sich selbst, und so entsteht ein fester Körper, und da haben wir’s – Torre.)
    Erstens: Blau-Jade. Sie weiß mit absoluter Sicherheit, daß ein Wurf gesunder, munterer Kätzchen sie in der Stadt erwartet.
    Zweitens: Cafter. Er hat sich seine eigene Individualität verdient. Er weiß, daß er sich selbst gehört … ein Mensch.
    Drittens: Tourmaline. Wieder ein Abenteuer bestanden. Doch nicht nur eine Häufung bloßer Sensationen ist das Ergebnis, sondern darüber hinaus bleibt etwas Dauerhaftes. Noch hat sie Obregon die einzigartige Erkenntnis nicht preisgegeben, mit der sie durch den Computer konfrontiert worden ist.
    Viertens: Obregon. Er hat die gewünschte Information erhalten, doch hat er gleichzeitig eine synergetische Schlußfolgerung daraus gezogen, die größer ist als die Summe ihrer Prämissen: nämlich, daß er nicht nur Geist, sondern auch Herz besitzt.
    Eine Katzen-Mutter, ein Simulat, eine Frau und ein Mann nähern sich Cinnabar. Die sterbende Stadt erwartet sie.

 
Nachwort
     
     
     
    Cinnabar ist die englische Bezeichnung für Zinnober, aber die wenig poetische Nebenbedeutung in der Umgangssprache veranlaßte uns, diesen Ausdruck im Original zu belassen. Was ist Cinnabar, jener Ort, der Edward Bryants Episodenroman zu seinem Titel verhalf? – Ganz so einfach zu beantworten ist das nicht. Es ist eine phantasmagorische Stadt am Ende der Zeit. Oder eher im Zentrum der Zeit? Lichtjahre entfernt oder eigentlich gleich um die Ecke? Eine real existierende Stadt oder nur ihr Vexierbild? Richtig ist wohl in jedem Fall, daß Cinnabar eher ein Zustand als ein Ort oder ein starrer Punkt in der Zeit ist. Wenn man so will, ein Schnittpunkt zwischen äußerer und innerer Realität. In Cinnabar sind die Regeln der Realität außer Kraft gesetzt und durch eine unendliche Zahl von Möglichkeiten ersetzt worden. In Cinnabar treffen die seltsamsten Personen aufeinander, Personen, die mal ganz vertraut-alltäglich reagieren und dann wieder die sonderbarsten Handlungen begehen. Eine futuristische Schickeria ist hier zu Hause.
    Aber auch Timrath Obregon, der bizarre Schöpfer einer Computer-Katzenmutter, der multimediale Sexstar Tourmaline Hayes, Cougar Lou Landis mit ihren dreitausend
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher