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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar
Autoren: Edward Bryant
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ich nicht gewußt. Entschuldige.“
    „Nun, das ist noch nicht das Schlimmste, was der Computer mir angetan hat.“ Blau-Jades Stimme bekam einen bitteren Klang. „Er hat mir einen speziellen Kontrollmechanismus eingebaut, den meine jeweilige Herrschaft betätigen kann, wenn sie will. Mein erster eigener Wurf lebt in meinem Geist – aber nur dort. Terminex kann diese meine Jungen jederzeit töten, wenn er will, und das ist dann für mich so, als würden meine echten lebendigen Jungen umgebracht.“
    „Das ist, wie Cafter von Georges Eltern sagte – abscheulich.“
    Leise, wie zu sich selbst, sagte Blau-Jade: „Eines Tages, irgendwo, werde ich diese Jungen finden.“
    „Ich glaube es.“
    Sie wurden beide aus ihren Träumereien gerissen, denn Obregon rief: „Da – oben am Himmel!“
    „Wunderschön!“ sagte Torre andächtig. Der Vogel war bestimmt ebenso lang wie Cafter. Er flog mit langsamen trägen Flügelschlägen von Osten nach Westen, und sein rot und goldenes Gefieder schimmerte über ihren Häuptern in der Sonne.
    „Ein Phönix“, sagte Obregon, „die sieht man nicht mehr oft.“
    Ehrfürchtig blickten sie dem nach Westen, zur Wüste hin fliegenden Vogel nach. „Es ist überhaupt selten, daß ein Geschöpf der Luft direkt aus dem STADT ZENTRUM geflogen kommt.“
    „Warum das?“ fragte Cafter.
    „Meistens vertragen sie die Desorientierung nicht, die das schnelle Überfliegen mehrerer Zeitgürtel mit sich bringt. Sie tun sich viel leichter, wenn sie mit den Luftströmungen einen weiten Bogen um die Stadt machen.“
    Mit zunehmender Entfernung wurde der Phönix immer kleiner. „Es sieht tatsächlich so aus, als ob sein Flügelschlag langsamer geworden ist“, sagte Cafter verwundert.
    „Nur von unserem Standpunkt aus“, erläuterte Obregon. „Es ist das gleiche Phänomen, auf Grund dessen Anita und ihre Gäste in Craterside Park denken würden, daß wir erst eine kurze Zeit weg gewesen sind, auch wenn wir mehrere subjektive Jahre im STADT ZENTRUM verbracht hätten.“
    Mit dem bloßen Auge war kaum zu erkennen, daß der ferne Phönix seine Schwingen überhaupt noch bewegte. Der Vogel sah aus wie ein im Bernstein eingeschlossenes schillerndes Insekt.
    „Gehen wir weiter“, sagte Obregon.
    Doch Gilgarou bot die verlockende Gelegenheit zu einer Rast und einem Mahl an den Ufern eines kleinen kühlen Baches. Die überhängenden Bäume boten Äpfel. Tourmaline und Cafter ergänzten das Obst mit Käse und Brot aus ihren Rucksäcken. Sie stellten fest, daß sie allesamt rasenden Hunger hatten.
    „Wie weit ist es noch?“ fragte Tourmaline nach dem Essen.
    „Das weiß ich immer noch nicht“, entgegnete Obregon. „Ich bin in Cinnabar noch nie so weit auf linearem Kurs gereist.“
    „Nun“, meinte Tourmaline, „dann wollen wir lieber aufbrechen.“
    Der Weg führte sie durch einen weiteren kleinen Wald, über noch einen Bach; und dann war er auf einmal zu Ende.
    Obregon spähte über den Rand des Abgrundes; er konnte den Boden nicht erkennen. Auch nach den beiden Seiten hin schien die Kluft kein Ende zu nehmen. Direkt vor ihnen war sie etwa zehn Meter breit. „Unmöglich“, sagte Obregon, „eine derartige geologische Formation gibt es in Cinnabar nicht.“
    „Wie kommen wir hinüber?“ fragte Tourmaline.
     
     
    Tag ∞
     
    Vor ihnen ragte das Tor aus Jade. Hinter dem grünen steinernen Bogen erstreckte sich eine Zone ungepflegten Rasens. Dahinter stand ein einzelnes Bauwerk. Es war rund, und nicht annähernd so groß und imposant wie viele Gebäude, an denen die Reisenden anderswo in Cinnabar vorbeigekommen waren. Das Erdgeschoß bildete eine Art Sockel; auf ihm erhob sich eine glatte halbkugelförmige Kuppel. Kuppel und Basis bestanden aus grauem poliertem Metall, die Kuppel selbst schien allerdings von kurzen schweifenden Lichtblitzen angeleuchtet zu werden. Tourmaline mußte an ausströmendes Öl denken, das sich langsam durch sonnenerhelltes Wasser windet.
    „Endlich“, sagte Obregon, und Erregung schwang in seiner Stimme, „das ist das STADT ZENTRUM.“
    „Ich hatte es mir eindrucksvoller vorgestellt“, sagte Cafter.
    Und Torre: „Was wir suchen, ist noch viel kleiner als dieser Bau.“
    Blau-Jade zuckte nervös mit den Ohren. „Sogar die Luft scheint hier geladen zu sein.“
    „Das ist sie tatsächlich“, erläuterte Obregon, „denn hier ist das Auge des Wirbels, hier strömen alle Zeiten spiralig in einen gemeinsamen Mittelpunkt.“ Er trat unter das Jadetor und
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