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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss
Autoren: Michel Birbæk
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Wenn ich bedenke, wie anstrengend es ist, einen Seitensprung zu verheimlichen, wie mühsam muss das erst bei einer Affäre sein? Das Lügen, die Terminkoordination, die sm s , der Geruch, und allem voran: das Verbergen des Glücks. Damit dem Partner nichts auffällt, muss man täuschen, verschweigen und schauspielern können. Man muss den Menschen, dem man noch Ich liebe dich sagt, gleichzeitig an der Nase herumführen und akzeptieren, dass er sich anschließend wie ein Idiot fühlen wird. Schließlich gilt immer noch der als Trottel, der die ganze Zeit nichts gemerkt hat. Ich.
    Manche Menschen spüren, wenn ihr Partner sie vielleicht verlässt, und kommen dem zuvor, um sich die Qualen des Verlassenwerdens zu ersparen. Manchmal liegen sie allerdings falsch, dann ersparen sie sich bloß eine großartige Beziehung, aber immerhin treffen sie selber ihre Wahl. Ich hatte keine. Es gibt Rauchmelder, Warnblinker und Tsunami-Frühwarnsysteme, aber was ich bräuchte, ist ein Beziehungsende-Frühwarnmeldesystem.
    Vor vier Wochen kam ich von der Arbeit nach Hause und fand eine leere Wohnung vor. Meine bessere Hälfte fehlte. Auch die bessere Hälfte der Möbel. Meine Therapeutin sagt, das sei eine Chance. Allerdings meint sie auch, Krankheit sei eine Chance. Vielleicht hat sie recht, vielleicht sollte ich froh sein, dass Isabella weg ist, denn wir passten nicht zueinander, und ich wusste das vom ersten Moment an. Ich wollte Wirtschaftsverbrechen aufdecken, Isa wollte die Innenstadt leer shoppen, und selbst in meiner wildesten Verliebtheitsphase war mir klar, dass auch Sex nicht unser Motor sein würde − dennoch konnte ich plötzlich nicht mehr ohne sie leben. Nach sechs Monaten zogen wir schon zusammen, und keiner meiner Freunde warnte mich. Wir passten überhaupt nicht zusammen, aber alle fanden es toll , dass wir so verliebt waren. Wenn ich in dieser Zeit eins gelernt habe, dann das: Es ist den meisten Leuten schnurzegal, in wen man verliebt ist, Boris, Paris, Adolf – egal. Hauptsache verknallt.
    Wie konnte Verliebtheit bloß eine solche Ikone werden? Sie ist der Grund für die idiotischsten Handlungen meines Lebens. Wäre sie verpackt, müsste eine Warnung draufstehen: Achtun g ! Diese Hormonstörung verursacht Beziehungen, die zu gesundheitlichen Schäden führen könne n ! Daneben ein Foto von einem Typen, der sich die Pulsadern öffnet. Gut, von solchen Aktionen bin ich zwar so weit entfernt wie Lothar Matthäus von einer funktionierenden Ehe, dennoch müsste Verliebtheit langsam als Krankheit klassifiziert werden. In meinen dreiunddreißig Lebensjahren war ich achtzehn Jahre sexuell aktiv und habe mich währenddessen siebenmal verliebt. Daraus sind Enttäuschungen, Verletzungen und halb leere Wohnungen hervorgegangen, aber kein einziges Mal eine lange schöne Beziehung, um die mich irgendjemand beneidet hätte. Manchmal denke ich, ich bin beziehungsgestört, manchmal denke ich, wir alle sind beziehungsgestört – aber eigentlich gibt es nur ein Problem: falsche Partnerwahl durch Verliebtheit. Niemand würde seine Organe spenden, Geld anlegen oder die Führerscheinprüfung machen, wenn er gerade randvoll mit Drogen ist. Aber für die Entscheidung, mit wem man sein Leben verbringen und vielleicht eine Familie gründen will, wird genau dieser Zustand als perfekt propagiert. Wenn man sich verliebt, werden fast die gleichen Gehirnschaltkreise aktiviert wie bei einem Drogensüchtigen, der der nächsten Spritze entgegenfiebert. Das Alarm- und Angstsystem des Gehirns wird von den auf Hochtouren laufenden Liebesschaltkreisen weitgehend ausgeschaltet, und es gibt wirklich Intelligenteres, als bei der Partnerwahl den gesunden Menschenverstand auszuschalten.
    Es gibt ebenfalls Intelligenteres, als deprimiert auf einem Partyschiff rumzuhängen. Achthundert fröhliche Menschen – und ich. Ich hatte irgendwie gehofft, die gute Laune der anderen wäre ansteckend. Das Gegenteil ist der Fall. Mit jeder Minute, die ich hier bin, isoliert mich die überbordende Fröhlichkeit der anderen, aber das hätte ich mir überlegen sollen, bevor wir ablegten. Jetzt ist das Thema für zwei Stunden durch.
    Ich schiebe mich durch die Menschenmenge und suche nach einem bekannten Gesicht. Stattdessen schaue ich in eine Million unbekannte. Beide Rheinufer sind voller Fremdkörper, die gut gelaunt auf das Feuerwerk warten. Manche beneiden mich vielleicht um den Platz auf dem Schiff. Wo ist ein Eisberg, wenn man ihn braucht?
    Auf dem Oberdeck finde
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