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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss
Autoren: Michel Birbæk
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einjährige Tochter.«
    Sie beginnt in ihrer Handtasche zu wühlen, holt ein Handy hervor und hält es mir vors Gesicht. Das Display ist klein, und meine Augen sind nicht mehr die besten, aber ein paar Dinge über Mütter habe ich schon begriffen.
    »Mann, ist die süß!«
    »Nicht wahr?« Rene strahlt. »Und in fünf Monaten bekommt sie einen Bruder.«
    »Beide von demselben Kerl?«
    »Das blöde Arschloch«, sagt sie aus voller Überzeugung, und in der nächsten halben Stunde erfahre ich, wie sie in München den Regisseur Volker traf, sich verliebte, seinetwegen nach Köln zog, er sie schwängerte, sie ein Kind bekam, er sie noch mal schwängerte und sie ihn vor zwei Wochen dabei erwischte, wie er seine Hauptdarstellerin in ihrem gemeinsamen Bett flachlegte. Seitdem wohnt sie bei ihren Eltern in Aachen und pendelt täglich nach Köln. Während sie redet, beobachte ich ihre energische Gestik und lache über ihre Beschimpfungen. Wenn mich jemand verlässt, werde ich traurig, sie wird wütend. So hat jeder seine Bewältigungsstrategie. Ihre gefällt mir besser.
    »Dieser verdammte Idiot«, schimpft sie. »Er bumst sie in unserem Bett. Denkt der, ich merke das nicht? Glaubt der, ich rieche nichts? Der hat nicht mal die Bettwäsche gewechselt. Männer …« Sie schüttelt den Kopf. »Manchmal denke ich, er wollte mich einfach loswerden und war zu faul für ein Gespräch. Also nimmt er diese Bulimietussi mit nach Hause und erniedrigt mich so sehr, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als ihn zu verlassen.«
    »Wow! Es geht doch nichts über das Gespräch mit einem Freund. Plötzlich sehe ich positive Seiten an Isa. Immerhin war sie so rücksichtsvoll, nicht in unserem Bett fremdzugehen.«
    Rene lacht.
    »Ja, es hilft doch immer, mit jemandem zu sprechen, dem es noch beschissener geht.«
    Sie wirkt nicht, als würde es ihr beschissen gehen, aber okay, sie war noch nie der Typ, der jammert. Als wir sieben oder acht waren, belauschten wir eines Tages ihre Eltern und erfuhren, dass die lieber einen Sohn gehabt hätten, doch nach Renes Geburt konnte ihre Mutter keine Kinder mehr bekommen. Von da an wurde sie tougher als alle Typen, die ich kannte, und versuchte, der Junge zu werden, den ihre Eltern sich gewünscht hatten. Sie kickte mit den größeren Jungs, und wenn einer einen Spruch riskierte, kämpfte sie, bis ihr die Puste ausging. Sie war die Erste bei den Mutproben und immer die Letzte, die nach Hause ging. Unsere Jugendclique war die einzige in Aachen, die eine weibliche Anführerin hatte, und wer darüber Witze machte, konnte sich warm anziehen. Und nun, Mutter. Das Bild passt irgendwie nicht zusammen.
    »Und nun alleinerziehend? Hast du dir das gut überlegt? Vielleicht lohnt es sich ja doch, um die Beziehung zu kämpfen, ich meine, er ist der Vater deiner Kinder.«
    Sie winkt ab.
    »Gerade deswegen ist es die richtige Entscheidung. Ich wusste gleich, dass er ’ne Lusche ist. Er weigert sich, erwachsen zu werden, er wäre bestimmt kein guter Vater.« Sie leert ihr Glas und mustert es genervt. »Das Schlimmste ist, dass ich auf Alkohol verzichten muss. Frisch getrennt – und man kann sich nicht mal besaufen.«
    Ich schaue zu dem Köbes rüber, der den Blick sofort bemerkt. Ich deute auf den Tisch und lasse meinen Finger rotieren. Er zieht eine Grimasse. Ich wende mich wieder Rene zu.
    »Was ich nicht ganz verstehe …«, beginne ich. »Wenn dieser Volker so ’ne Lusche ist, wieso hast du dich dann noch einmal von ihm schwängern lassen?«
    Sie lächelt.
    »Ich war total verliebt!«
    »Da ist es wieder«, stöhne ich. »Verliebtheit – der 1 -A-Beziehungsberater.«
    Sie runzelt die Stirn.
    »Sag nichts gegen Verliebtheit. Das Gefühl war großartig, nur der Typ war falsch.«
    »Prima. Das ist, wie wenn ein Bergsteiger unbekleidet den Mount Everest besteigt, auf halber Strecke erfriert und dann sagt: He, sag nichts gegen fk k -Bergsteigen. Das Gefühl war großartig, nur das Wetter war falsch …« Sie lacht nicht, stattdessen seufzt sie und lehnt sich zurück.
    »Erzähl mir von ihr.«
    In der nächsten halben Stunde erfährt sie alles über meine großen vierundzwanzig Monate mit Isabella, von denen die letzten sechs zweitligareif waren. Wie ich Isa kennenlernte, sie lustig und zugleich oberflächlich fand und eigentlich nur Spaß wollte, aber plötzlich zu verliebt war, um gegensteuern zu können. Wie ich mich immer mehr ihren Wünschen unterordnete, wie ich zustimmte, zusammenzuziehen, wie ich zustimmte,
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