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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss
Autoren: Michel Birbæk
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ich einen freien Thekenplatz. Ich bestelle zwei Wodka auf Eis und zünde mir eine Zigarette an. Gott, ich erinnere mich nicht, wann ich mich zuletzt so beschissen gefühlt habe. Was ist bloß los? Es ist ja wirklich nicht das erste Mal, dass ich verlassen wurde, und es ist beileibe auch nicht das schlimmste Mal. Wieso zieht mich die Sache diesmal so runter? Liegt es am Alter? Wenn man mit fünfzehn verlassen wird, bricht die Welt zusammen, und man glaubt, man übersteht das nicht. Mit fünfundzwanzig tut es immer noch höllisch weh, aber man kennt es ja schon, und irgendwo unter dem Schmerz piepst eine Stimme, dass man sich wieder erholen wird. Und dann, mit dreißig, gerade wenn man glaubt, man hat nun wirklich alles erlebt und das Schlimmste hinter sich, passiert es: Irgendjemand bricht dir das Herz wie noch nie zuvor. Man dachte, man hätte den größten Schmerz überstanden − und dann das. Ab da bleibt ein nagendes Gefühl der Unsicherheit zurück, denn wenn man mit dreiunddreißig noch nach Hause kommen und eine halb leere Wohnung vorfinden kann, besteht die Möglichkeit, dass man es auch mit fünfzig kann. Vielleicht hört das ja nie auf. Gott, werde ich mit siebzig noch ausgeräumte Wohnungen vorfinden? Muss ich mein Leben lang damit rechnen, hinterrücks verlassen zu werden? Gibt es keine Altersgrenze für Verrat? Hätte Isa mir nicht einfach sagen können, dass sie einen anderen liebt? Vielleicht hätte ich sogar beim Umzug geholfen, stattdessen frage ich mich, ob sie mich in letzter Zeit deshalb so kalt behandelt hat, damit sie mir jetzt nicht fehlt. Und ob sie sich immer gründlich gewaschen hat, wenn sie von ihm kam …
    Jemand lacht. Ich werfe einen Blick in die Runde. Zu meiner Linken steht ein frisch verliebtes Paar und knutscht. Rechts steht eine Gruppe Menschen, die in Anzüge gekleidet sind und zu mir herüberstarren.
    Ich senke den Blick und brauche vier Atemzüge, bis ich merke, dass ihre missbilligenden Blicke meiner Zigarette gelten. Das ist ein weiterer Nachteil vom Verlassenwerden: Man bezieht alles nur darauf. Jemand hält dir die Tür nicht auf? − Er weiß, dass du zu doof bist, um deine Freundin zu halten. Jemand nimmt dir den Parkplatz weg? − Er weiß, dass du beziehungsunfähig bist. Halle Berry ruft nicht an? − Sie weiß, dass deine Ex dich wegen eines Fußballers verlassen hat. Wegen eines Fußballers . Ich habe mir ein Spiel von ihm aufgenommen und mehrmals angeschaut, wie er gefoult wurde. Immer wieder knallte er in Zeitlupe, mit schmerzverzerrtem Gesicht, auf den Rasen, doch er stand jedes Mal wieder auf und spielte weiter …
    Die Bedienung bringt mir zwei Wodkas. Ich leere das eine Glas, kippe die Eiswürfel in das andere und stelle das erste aufs Tablett. Ich lege einen Schein daneben und bestelle zwei weitere Wodkas. Die Bedienung wirft mir einen amüsierten Blick zu.
    »Meine Freundin hat mich verlassen«, erkläre ich ihr. »Wobei, nein, es kann nicht meine Freundin gewesen sein, denn Freunde gehen ja freundlich miteinander um – also gut, meine Ex-Irgendwas. Jetzt treibt sie es mit einem Fußballer. Hätte sie nicht einen Skinhead nehmen können oder einen Atomlobbyisten? Aber nein, ein Fußballer. Sie verlässt mich und macht mir auch noch die Sportschau kaputt. Okay, er spielt bloß zweite Liga, aber dennoch, oder?«
    Sie geht wortlos. Am Nebentisch knutscht das Pärchen immer noch. Total verknallt, die Ärmsten. Soll ich sie warnen? Ihnen sagen, dass wenn sie jetzt nicht aufpassen, sie irgendwann nach Hause kommen und ihre afrikanischen Lieblingsskulpturen suchen werden? Dass mindestens einer von ihnen sein Selbstwertgefühl verlieren wird und, wenn er Pech hat, auch noch seine Lieblingssendung?
    Ich kippe den Wodka runter. Das Pärchen knutscht immer weiter. Keiner unternimmt was. Niemand steht auf und bittet die anderen Anwesenden gemeinsam dagegen vorzugehen. Tschüss Zivilcourage.
    Die Bedienung bleibt mit zwei Wodkas vor mir stehen, ohne mir in die Augen zu schauen. Ich trinke einen, fülle das Eis ins andere Glas, halte der Bedienung einen Schein hin und bestelle zwei neue. Sie schnappt sich das Geld und zieht schnell weiter, bevor der Spinner sie wieder volljammern kann.
    Was, zum Henker, mache ich hier?
    Ich zünde mir eine neue Zigarette an. Um mich herum steigt die Spannung und Stimmung. Das jährliche Monsterfeuerwerk heißt Kölner Lichter und entstand als Ableger von dem Koblenzer Rhein in Flammen . Heute ist es Deutschlands größtes
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