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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss
Autoren: Michel Birbæk
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Ringe unter den Augen hat.
    Mit einem letzten magenverschiebenden Knall verstummen die Kölner Lichter. Ein ohrenbetäubender Applaus brandet auf.
    »Ich dachte, du bist in Berlin!«, schreie ich durch den Lärm.
    Sie sagt irgendwas, das in dem Lärm der Millionen untergeht. Ich zeige auf meine Ohren und schüttele den Kopf. Sie verstummt. Wir schauen uns weiter lächelnd an und warten, bis der Jubel sich legt. Mir ist danach mitzujubeln.
    Nach und nach beruhigen sich die Ufer, Brücken und schließlich auch das Schiff. Es beginnt, sich in der Strömung zu drehen, um uns wieder an Land zu bringen.
    »Berlin«, erinnere ich sie.
    »Ist ewig her«, sagt sie und winkt ab. »Seitdem war ich in Hamburg, München, London, und jetzt bin ich seit zwei Jahren in Köln.«
    »Seit zwei Jahren? Und wieso haben wir uns nie getroffen? Das geht doch eigentlich gar nicht. Wo treibst du dich rum?« Statt zu antworten, wirft sie einen Blick auf ihre Armbanduhr.
    »Ich muss noch ein bisschen arbeiten. Was machst du später?«
    »Och, nein«, stöhne ich, »bitte nicht …!«
    Ihr Gesicht erstrahlt zu einem breiten Lächeln.
    »Keine Angst«, erwidert sie. »Das eine Mal reicht mir immer noch.«
    »Gott sei Dank«, seufze ich.
    Was mir einen Fausthieb einbringt. Ewig her, dass mir jemand eine reingehauen hat, ohne es böse zu meinen. Hab ganz vergessen, wie gut sich das anfühlt.
    »Ich arbeite, bis die Pressekollegen von Bord sind, und dann gehen wir was trinken. Und weil ich dich kenne …« Sie zückt ihr Handy. »Nummer.«
    Ich nenne sie ihr. Sie tippt sie ein und ruft an. Mein Handy beginnt in meiner Tasche zu summen.
    »Okay«, sagt sie zufrieden. »Ich lasse dich orten, falls du verschwindest.«
    Sie verpasst mir ihr Scheißegallächeln, dann verschwindet sie in der Menge. Ein Freund. Und plötzlich ist alles anders. So verdammt anders. Ich zünde eine Zigarette an und atme durch. Die Stimmung auf dem Boot ist plötzlich gut, die Laune der Leute ansteckend. Fremde lächeln, ich lächele zurück. So was kann ein Freund.
    Die Bedienung kommt vorbei. Ich bestelle ein Bier und lächele sie an.
    »Entschuldige wegen vorhin. Ich bin jetzt drüber hinweg.«
    Sie zieht schnell weiter. Ich lehne mich an die Reling und schaue übers Wasser. Rene. Nicht zu fassen. Wir sind fünfzig Meter voneinander entfernt aufgewachsen und sahen uns fast täglich. Als wir Kinder waren, schliefen wir fast täglich bei mir oder ihr, und dann, als wir fünfzehn waren, schliefen wir miteinander. Der schlechteste Sex meines Lebens. Hoffe ich. Am nächsten Morgen beschlossen wir, das nie nie wieder zu tun, und von da an waren wir endgültig die besten Freunde. Ich wünschte, schlechter Sex würde immer zu so etwas führen.
    Das Schiff legt an. Von dem Geschaukel ist mir ein bisschen schlecht, also gehe ich von Bord und stelle mich neben den Laufsteg. Mein Handy klingelt.
    »Ja?«
    »Du Arsch, ich sehe dich! Wenn du noch einen Schritt weitergehst, bist du tot!«
    Ich schaue mich grinsend um, entdecke sie aber nicht.
    »Ich wollte nur an Land.«
    »Ich hab dich gewarnt!«
    Die Verbindung ist tot. Ich bleibe stehen und warte, bis Rene mit energischen Schritten den Steg herunterkommt und sich meine Hand schnappt.
    »Komm mit«, sagt sie und marschiert los.
    Ich halte ihre Hand und folge. Wohin? Egal. Es gibt nichts Schöneres, als jemandem zu folgen, der es gut mit einem meint.
    Zehn Minuten später stehen wir im Früh-Brauhaus. Wegen der Kölner Lichter ist die Altstadt noch voller als an normalen Wochenenden, und das Brauhaus erst recht. Jeder Stuhl ist besetzt, zwischen den Tischen stehen Leute und trinken. Die Luft ist zum Schneiden dick und erfüllt mit einem Stimmengewirrteppich.
    »Es ist voll. Lass uns woanders …«, beginne ich, aber Rene hebt eine Hand und schaut sich suchend um. Sie mustert einen Ecktisch, an dem ein älteres Touristenpaar sitzt und ratlos auf das Display ihrer Digitalkamera schaut. Sie geht los. Ich schaue zu, wie sie am Tisch stehen bleibt und dem Ehepaar irgendwas mit der Kamera erklärt. Die beiden freuen sich und rutschen zusammen. Schon haben wir Sitzplätze auf der Bank und ich ein Déjà-vu. Mit so etwas hat sie mich damals immer wieder verblüfft. Gratis auf Festivals, Eintritt bei vi p -Partys, Upgrades im Flugzeug. Sie zog einfach los und kam mit Tickets, Tipps oder Rabatten wieder. Kommunikation − die Zauberei der Gegenwart.
    Ich winke dem Köbes und halte zwei Finger hoch, doch Rene schüttelt den Kopf und bestellt ein
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