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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar
Autoren: Edward Bryant
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betreue.“
    „Der kleine George?“ fragte Cafter. „Ich habe zugehört, als Sie mit Tourmaline über ihn gesprochen haben. Aber was wird, wenn er erwachsen ist?“
    „Meine Stellung ist gesichert. George wird nie erwachen sein.“
    „Alle Kinder werden einmal erwachsen.“
    „George nicht; seine Eltern haben dafür gesorgt. Sie mögen ihn lieber als Kind.“
    „Das ist abscheulich“, sagte Cafter.
    Niemand war geneigt, das zu bestreiten; und Blau-Jade schwieg aus Höflichkeit. Eine Zeitlang war nichts zu hören als das Klatschen nackter Fußsohlen und das sanfte Gleiten der Katzenpfoten auf dem Kopfpflaster.
    „Und Sie“, sagte Cafter zu Torre, „was ist der Sinn Ihres Lebens?“
    „Nichts zu erreichen.“
    „Nichts?“
    „Ganz buchstäblich.“ Sie lächelte dünn und bleich.
    „Spielereien“, sagte Cafter ärgerlich. „Sehen Sie nun, warum ich keine Lust hatte, mit Ihnen zu sprechen?“
    „Es ist kein Spiel“, entgegnete Torre gelassen.
    „Bitte, ihr beiden“, mischte sich Tourmaline ein, „streitet euch nicht, seid nicht so ernst. Seht euch den Sinn meines Hierseins an: ich bin Tourist, ich möchte Bezirke von Cinnabar kennenlernen, die ich noch nicht kenne …“
    „Das meine ich ja gerade“, unterbrach Cafter, „Touristen! Dilettanten! Ihr habt überhaupt keinen richtigen Lebenszweck. Könnt ihr überhaupt mit irgend etwas irgend etwas anfangen?“ Tief betroffen öffnete Tourmaline schon den Mund zu einer Antwort, aber Cafter redete über sie hinweg. „Ihr und eure ganze Stadt brauchtet im Grunde gar nicht zu existieren …“
    „Richtig“, unterbrach Obregon resigniert. „Habt ihr vergessen, warum wir eigentlich diesen Trek unternommen haben?“
    Sie schwiegen betreten. „Wir haben immer noch eine erhebliche Strecke vor uns, und die wollen wir lieber hinter uns bringen, ohne uns zu zanken.“
    Der Weg umrundete einen lange vertrockneten Springbrunnen, dessen Strahl einst aus dem Horn eines steinernen Einhorns herausgekommen war. Etwa hundert Meter dahinter erhoben sich zwei Gruppen jener weißen Gebäude; die Straße führte zwischen ihnen hindurch.
    „Zwischen diesen Türmen sehe ich etwas Grünes“, sagte Obregon. „Wir müssen die Grenze von Cairngorm erreicht haben.“
    „Von mir aus – das ist eine durstige Gegend“, seufzte Blau-Jade.
    Tourmaline deutete nach oben. „Seht! Da auf dem einen Turm ist jemand!“ Eine Gestalt oben auf einem der Gebäude schwenkte ein rotes Tuch. Tourmaline winkte zurück.
    „Der Wind ist uns zwar entgegen“, sagte Blau-Jade mit gekrauster Nase, „aber ich glaube doch, dort vor uns sind mehr als nur einer.“
    Wie als Antwort auf das Schwenken des roten Tuches stürzten aus den Erdgeschossen der beiden Gebäude Horden kreischender, fuchtelnder, wild aussehender Gestalten, offenbar Humaniden. Sie hatten Speere und Keulen. Auf den Dächern fing es an zu rauchen. Hinter den Brüstungen tauchten noch mehr von diesen Geschöpfen auf.
    Blau-Jade entblößte ihre Fangzähne und streckte die Krallen heraus. „Die sind uns nicht freundlich gesinnt“, sagte Torre. Unter Geschrei, das das Blut erstarren machte, rannten die Massen aus den Häusern an.
    „Timnath!“ sagte Tourmaline beschwörend.
    Von den Dächern herunter schossen die Wilden einen Hagel feuriger Pfeile auf die Expedition.
     
     
    Tag 3
     
    Der Gilgarou-Distrikt war ein friedliches Areal von Feldern, Bächen und kleinen Bauernhöfen.
    „Ich kann nur den Schluß ziehen“, sagte Timnath, „daß die guten Leute von Gilgarou an Fremden einfach nicht interessiert sind.“
    „Introvertiert, abgeschlossen, inzüchtig, stagnierend“, sagte Cafter, und es klang beinahe wie eine Beschwörung. „Was soll aus denen werden?“
    „Gar nichts“, erwiderte Obregon. „Aber sie scheinen wenigstens glücklich zu sein. Damit sind sie besser dran als, sagen wir, Craterside Park.“
    „Gar kein Unterschied“, knurrte Cafter.
    Tourmaline hatte hier und da ein paar Kinder, durchweg pausbäckig und vergnügt, neben der Straße spielen sehen. Sie machte eine Bemerkung darüber zu Blau-Jade.
    „Manche sind Simulate“, entgegnete die Mutter-Katze, „manche auch nicht. Ich merke das.“
    „Wahrscheinlich erinnern sie dich an George.“
    „Das läßt sich nicht vermeiden. Dagegen kann ich nicht an.“
    „Ich glaube, das verstehe ich nicht.“
    „Mein mütterliches Gefühl ist ein programmierter Instinkt. Eine innere Struktur, für die ich mich bei Terminex bedanken kann.“
    „Das habe
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