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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar
Autoren: Edward Bryant
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Einleitung
     
    Vom täglichen Leben in der Stadt am Mittelpunkt der Zeiten
     
     
    Das eigentliche Thema dieser Einleitung müßte lauten: „Wo man seine Ideen herbekommt“. Doch der obige Titel klingt unvergleichlich interessanter. Und nach guter alter Cinnabar-Tradition reflektieren sich diese beiden Titel gegenseitig wie die Bilder in einem Spiegelkabinett. Oder doch beinahe. Man wird vielleicht nach einiger Zeit erst bemerken, daß die Bilder dieser Prozession ins Unendliche nicht vollkommen deckungsgleich sind.
    Entropie, das heißt Realitätsverlust, schleicht sich klammheimlich ein, und zwar sowohl in den Autor als auch in sein Werk. Doch das ist eine andere Geschichte …
    Grundsätzlich geht es mir um die Klarstellung, daß Cinnabar eine Stadt unendlicher Diversionen, ist – ein Ort, wo es Gelegenheit zu zahllosen Alternativen gibt. Das mag oberflächlichidealistisch klingen, doch dieser Aspekt der Stadt beweist ihre Damokles-Natur.
    „Mögest du in einer interessanten Zeit leben!“ So lautet, wie man nicht vergessen möge, ein chinesischer Fluch.
    Das ist es im Grunde, was ich über Cinnabar selbst berichten will. Muß ich besonders darauf hinweisen, daß das STADT ZENTRUM den Brennpunkt aller Zeiten darstellt? Daß der Zeiten-Strom sich als vieldimensionaler Wirbel in die Stadt Cinnabar ergießt? Daß die Stadt nur so weit von uns entfernt liegt wie gewisse geheime Ausgänge, unmeßbare Sekundenbruchteile und Jahrtausende? Die Details ergeben sich im Laufe der Erzählung.
    Nun zu den Einwohnern von Cinnabar, soweit ich sie erwähne: Tourmaline Hayes, Medien-Sex-Star; Blau-Jade, die hybride Katzen-Mutter; Sidhe (Carcharadon megalodon); Harry Vincent Blake, der College-Boy aus dem 20. Jahrhundert, der durch ein Zeitloch gefallen ist; Puma Lou, die letzte Heldin; Leah Sand, eine melancholische Medien-Moderatorin; Obregon, der etwas, aber niemals völlig verrückte Wissenschaftler; und die übrigen. Ich hoffe, Sie werden Spaß an ihnen haben.
    Zu alten Zeiten, als Vielfalt das große Schlüsselwort war, habe ich einmal etwas über literarische Ideen schreiben wollen. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß Cinnabar keine bloße literarische Konstruktion ist; Cinnabar existiert auf der einen oder anderen Ebene. Auf welcher? Nun, in Cinnabar läuft unter anderem ein Stadterneuerungsprojekt mit dem Arbeitstitel Vielschichtigkeit.
    Die vorliegenden Geschichten sind Ansichten der Stadt, durch mein Hirn gefiltert und zu einem nicht ganz unpersönlichen Mosaik zusammengesetzt. Eine gute Denkaufgabe muß gewisse Ansätze bieten. Hier einige subjektive Bruchstücke:
    (a)  Einst, in den späten dreißiger und frühen vierziger Jahren dieses Jahrhunderts, als meine Mutter eine junge Frau war und in Brooklyn wohnte, pflegte sie den Sommer auf einer Ferienranch bei Peakshill im Staat New York zuzubringen. Diese Ferienranch hieß Cinnabar.
    (b)  Mein Vater, in Colorado aufgewachsen, war von zu Hause weggelaufen und hatte bei der Handelsschiffahrt angeheuert. Von dort aus ging er zur US-Marine.
    Daraus ergibt sich (c): Im Sommer 1940 saß mein Vater mit einem Kameraden auf der Marinewerft in Brooklyn herum. Sie überlegten, wo sie ihren Urlaub verbringen sollten. Mein Vater machte die Augen zu und tippte mit einem Bleistift auf die Karte des Staates New York. Sie haben richtig geraten: Peakshill. Cinnabar.
    Fünf Jahre vergingen. Ich wurde genau drei Wochen nach der Bombardierung Hiroshimas geboren. Kann es jemanden verwundern, daß im Alltagsleben Cinnabars romantische Geschichten eine so integrale Rolle spielen?
    (d) Ich wuchs im Süden des Staates Wyoming auf, verbrachte Jahre sowohl auf Farmen als auch in einer kleinen Stadt. Wie viele Leser von Science Fiction, die selbst zu schreiben beginnen, kam es mir bei dieser Literaturgattung zunächst auf ihren eskapistischen Aspekt an. In diesem Sinne suchte ich nach einer Bahnlinie, die irgendwo vor einer kleinen ländlichen Gemeinde endet.
    (e)  Katzen. Ich kann ihre Neigung verstehen, in eine anscheinend leere Ecke zu starren. Katzen wissen und begreifen, was hinter dem Spiegel ist. (Natürlich findet man dort unter anderem Wegweiser nach Cinnabar.)
    (f)  Im Juli 1969 nahm ich im Clarion Workshop an einem Kurs für Science Fiction teil. Dort stellte uns ein hospitierender Autor namens Harlan Ellison folgende kurzfristige Übungsaufgabe: jeder von uns Möchtegern-Schriftstellern sollte eine ganze Seite mit erzählerischen Anreizen zusammenstellen, solchen in die
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