Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar
Autoren: Edward Bryant
Vom Netzwerk:
auf die herumliegenden leblosen Körper; seine Fäuste waren weiß an den Knöcheln.
    „Etwas einzuwenden, Timnath?“ fragte der Computer. „Geht es zu schnell für Ihre vielgerühmten intellektuellen Fähigkeiten?“
    Ohne zu wissen was er tat, stürzte sich Obregon auf das metallene Ovoid. Seine Finger schlössen sich um die glatte Oberfläche des Computers, und er merkte, daß Terminex nichts dagegen unternahm. Kein Kraftfeld, keine Beschwörung, keine Todesstrahlen, keinerlei Verteidigungsmaßnahmen waren zu spüren. Und mit einem hysterischen Kraftausbruch schleuderte er den Computer von sich; in gerader Linie glitt Terminex auf das Schwarze Loch zu.
    „Wie, Timnath? Ein so zerbrechliches und menschliches Denkmaschinen-Analogon wie ich bringt deinen kühlen Rationalismus durcheinander und veranlaßt dich zu spontaner Aggression? Eine noble und desperate Geste …“
    Vor Obregons Augen schien das Ovoid langsam, immer langsamer zu fallen, je mehr es sich der ebenholzschwarzen Lichtlosigkeit des Anomalons näherte. Obregon blinzelte; das metallene Ei verschwamm in seinen Umrissen und wurde blasser. Dann wurde er zurückgestoßen, stolperte und fühlte sich mit dem Rücken an die Metallwand gepreßt, und eine Stimme sprach in seinem Hirn:
    „Denkst du jetzt wieder, daß ich irrational handele?“
    „Terminex? Was geschieht?“
    „Für den komprimierten Bruchteil eines Augenblicks haben wir beide letztmals Gelegenheit, miteinander zu reden.“
    „Was ist mit den anderen? Was hast du mit ihnen gemacht?“
    „Nichts, Sie sind gesund und munter, sogar Torre.“
    „So sehen sie aber nicht aus.“
    „Gewiß magst du deine Zweifel haben, doch vertraue mir.“
    „Aber der Test – wir haben ihn bestanden?“
    „Das war nur Schein. Wenn es überhaupt einen Test gab, dann habt ihr ihn bestanden, als ihr euch entschlossen habt, hierherzukommen.“
    „Warum dann dieser Bluff?“
    „Damit ihr noch einmal über eure Handlungen nachdenken konntet, und über die Motive, die euch dazu veranlaßten, aus dem ewigen stagnierenden Sein von Cinnabar auszubrechen. Ich war neugierig, wie jeder von euch zwangsläufig reagieren würde, wenn er vor diese endgültige Konfrontation gestellt wird. Vielleicht interessiert es dich zu hören, daß in keinem eurer Hirne die Rettung der Stadt irgendwie ein leitender Faktor war. Genau das hatte ich erwartet.“
    „Was wird mit Cinnabar?“
    „Ihr müßt auf eigene Hand weitermachen; die Stadt kann sich nicht mehr um euch kümmern. Ich habe die Schwere, aber nicht das Vorhandensein meiner funktionellen Senilität übertrieben. Die Effekte der unendlich kleinen Einwirkungen der Zeitauflösung/Zeitzusammenziehung auf meine systemimmanente Synchronizität haben kumulativen Charakter. Ich kann dieses Problem nicht anders lösen als durch die Flucht.“
    „Die Cinnabaraner – können sie überleben?“
    „Sie haben schon überlebt, ehe ich existierte. Ein Teil von ihnen wird weiter überleben. Die Stadt wird weiterbestehen, selbst wenn sie nur noch vier Einwohner haben sollte.“
    „Aber …“
    „Meine Entscheidung steht fest, was ich tue, ist unwiderruflich!“
    „Das Anomalon – was wird mit dir geschehen?“
    „Ich ahne, daß ich in das andere Universum nur als eine Kollektion subnuklearer, randomisiert verteilter Partikel eintreten kann.“
    „Dann wirst du also sterben?“
    „Nicht unbedingt. Wie gewisse andere Organismen besitzen die Partikel des Maschinenlebens eine Qualität, die man am besten mit einem aufgedruckten somatischen Gedächtnis vergleichen kann. Es ist möglich, daß ich in jenem anderen Universum einen jungfraulichen Samen von Materie und Energie produzieren kann. Mit einigen Abänderungen könnte ich weiterleben.“
    „In einem Computer-Universum …“
    „,Es ist vorstellbar.“
    „Viel Glück, Terminex.“
    „Der komprimierte Augenblicksbruchteil geht zu Ende, Timnath. Lebe wohl – und viel Glück auch dir.“
    Obregon blinzelte abermals – die Stimme wurde vom Anomalon verschluckt. Das Ovoid verschwamm zu unendlicher Blässe. Der Gelehrte sank in die Knie; die um ihn hingestreckt Liegenden regten sich und gaben leise Wehlaute von sich. „Tourmaline? Blau-Jade?“
    „Ooh. Mir tut der Kopf weh.“ Unsicher setzte sich Tourmaline auf und suchte Obregons Hand. „Ist Terminex …?“
    „Fort? Ja. Für immer.“
    Sie lächelte schwach. „Timnath, du bist ein Zauberer.“
    „Ich?“ entgegnete Obregon. „Kaum. Sagen wir, Terminex war der letzte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher