Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tee und Toast

Tee und Toast

Titel: Tee und Toast
Autoren: Mary Scott
Vom Netzwerk:
1
     
    Larry blickte von dem Brief auf, den sie gerade las, und sagte: »Onkel Richard ist übergeschnappt!«
    Diese Feststellung brachte uns alle völlig durcheinander. Wir hatten Richard O’Neill zwar nur flüchtig kennengelernt, aber er hatte uns durch seine ausnehmend normale Art beeindruckt. Der Typ des angenehm dickköpfigen Geschäftsmannes, der nur eine Schwäche besaß: Larry, die er nach dem Tod ihrer Eltern aufgezogen hatte.
    »Das ist übel«, meinte Sam mitleidig. »Entweder Magengeschwüre oder Nervenzusammenbrüche — so geht es den Leuten, die einen Haufen Geld verdienen.«
    Larry sah ihren Mann vorwurfsvoll an. »So kann nur ein Farmer daherreden. Weiß Gott! Du scheinst der Meinung zu sein, daß der Mensch nur in der freien Natur dieses Landes hier normal bleiben kann.«
    Hier mischte sich Paul ein. »Natürlich gibt es auch Fälle, das wissen wir alle, wo es selbst die freie Natur nicht fertiggebracht hat, die Leute bei Verstand zu halten.«
    Ich hielt es für angebracht, ebenfalls etwas dazu zu äußern. Es gibt für meinen Mann nichts Schöneres, als sich mit meiner besten Freundin ein wenig in die Wolle zu kriegen, aber jetzt war nicht der Moment dazu. Ich wollte wissen, was mit Onkel Richard los war.
    »Der arme Mr. O’Neill«, sagte ich. »Er ist der letzte, dem ich einen Nervenzusammenbruch zugetraut hätte.«
    »Noch dazu«, meinte Paul zustimmend, »wo er Jahre härtester Prüfung überlebt hat, die kaum ein Mensch überstanden haben würde. Wie alt warst du, Larry, als du zu ihm zogst?«
    »Fünf«, antwortete Larry abwesend und blickte kopfschüttelnd auf den Brief. »Es ist einfach erschütternd.«
    »Und du warst einundzwanzig, als wir heirateten«, sagte Sam nachdenklich. »Einundzwanzig weniger fünf. Wieviel ist das?«
    »Vierzehn«, antwortete seine Frau prompt. »Aber was hat das mit dem Ganzen zu tun? Susan, kannst du die beiden nicht daran hindern, sich wie Schulbuben zu benehmen? Diese Geschichte ist ein scheußlicher Schlag für mich. Das hätte ich mir nie im Leben träumen lassen.«
    Sie hatte den Brief zu Ende gelesen und warf ihn mit dramatischer Geste auf den Tisch. »Das arme Goldstück von einem Mick. Wie konnte Onkel Richard nur so etwas tun? Das hätte ich nie von ihm gedacht.«
    Das erweckte Pauls Neugierde. »Was hat er denn dem alten Knaben getan?« fragte er. »Hat er ihm eins über den Schädel gezogen, bevor er den Verstand verlor?«
    Larry starrte ihn fassungslos an. »Ich weiß gar nicht, was in euch Männer gefahren ist. Susan, hör nicht auf die beiden. Ich werde die Angelegenheit mit dir besprechen, obwohl ich sagen muß, daß man doch glauben sollte, sich in einem wirklich schwierigen Moment auf seinen Mann verlassen zu können.«
    »Das könntest du auch ganz bestimmt«, meinte ich friedfertig, »wenn wir wüßten, wovon du eigentlich sprichst. Nun faß doch endlich einen klaren Gedanken. Was ist mit dem alten Mick los? Hat es etwa nach all den Jahren, in denen er Mr. O’Neill treu ergeben war, Krach gegeben?«
    »Seit dem Krieg ist er nun bei Onkel Richard«, sagte Larry nachdenklich. »Er muß an die Siebzig sein.«
    »Onkel Richard? Ach nein«, setzte ich gleich hinzu und stellte fest, daß ich Larry im Kopfrechnen haushoch überlegen war. »Du hast ja erzählt, daß er sehr jung war, als er in den Krieg zog. In den ersten Krieg, meine ich. Demnach muß er heute ungefähr sechzig sein.«
    »Mein Gott, Susan«, sagte Larry ungeduldig, »du scheinst mich in einer Tour falsch zu verstehen. Natürlich spreche ich von Mick. Vor allem seinetwegen mache ich mir die größten Sorgen.«
    Mick war der alte Irländer, der seit mehr als dreißig Jahren bei Richard O’Neill lebte. Er hatte im Ersten Weltkrieg in Mr. O’Neills Kompanie als Landser gedient und seinem Offizier das Leben gerettet. Als er dann plötzlich in der schlechtesten Zeit der Nachkriegsjahre bei Mr. O’Neill auftauchte, wurde er natürlich herzlich aufgenommen. Es hatte sich irgendwie ergeben, daß Mick blieb. Ein Faktotum, das man weder Gärtner noch Diener nennen konnte. Mick war eben Mick. Er sprang dort ein, wo Not am Mann war. Larry hatte uns oft erzählt, daß der Ire geholfen hatte, sie aufzuziehen — was ihm allerdings, laut Paul, nicht gerade als Verdienst angerechnet werden konnte, aber so manches erklärte.
    Sam wollte uns allen endlich Klarheit verschaffen und packte seine Frau fest an den Schultern. »Versuch doch einmal, dich deutlich auszudrücken, Larry. Was ist los? Wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher