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Ritter und Raufbolde

Ritter und Raufbolde

Titel: Ritter und Raufbolde
Autoren: Martin Clauss
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    |7| Einleitung
    D arum geht es im Krieg: zu verlieren oder zu gewinnen.“ 1 Mit diesen Worten erläuterte im Jahr 1173 ein Mann einer Frau den Krieg: Als die Frau des Earl von Leicester sich angesichts einer Niederlage ihres Mannes das Leben nehmen wollte, soll ein Ritter sie durch diesen Ausspruch davon abgehalten haben. Er verwies damit auf die zeitlose Logik des Krieges, die uns wegen ihres elementaren und auch banalen Charakters nur selten in so klaren Worten entgegentritt. Sie verdient daher besondere Beachtung und darf nicht in Vergessenheit geraten: Im Krieg dreht sich alles darum zu gewinnen. Das Mittel zum Sieg ist die Gewalt. Krieg spielt sich zwischen den Polen Sieg und Niederlage ab. Im Krieg geht es nicht primär um Tapferkeit, Ruhm oder Beute. Diese Aspekte, die man häufig mit dem Krieg – und vor allem mit dem im Mittelalter – verbindet, sind letztlich nur Beiwerk. In erster Linie ist es den Kriegsteilnehmern darum zu tun, eine Niederlage abzuwenden. Dies bezieht sich auf die Kriegsparteien als Ganzes und auf den einzelnen Kämpfer, der sein Überleben sichern will.
    Von Kriegern und Helden
    Unser modernes Bild vom mittelalterlichen Krieg ist oftmals durch positiven Assoziationen mit Ritterlichkeit, die gern mit Fairness verwechselt wird, und Heldenmut geprägt. In Filmen, |8| Heldensagen, Computerspielen und auf Mittelalterfestivitäten werden uns tapfere Kämpfer präsentiert, die in strahlenden Rüstungen mutig aufeinander losgehen. Dieser Krieg hat wenig Schmutziges und Brutales, sondern scheint eher wie eine Sportveranstaltung oder ein Spiel zu funktionieren. Wenn Harold Fosters Prinz Eisenherz auf einen ritterlichen Kontrahenten trifft, bereiten die Knappen die Pferde vor, reichen den Helden die Lanzen, und dann beginnt ein munterer Zweikampf, der mit dem Sieg des Prinzen, nicht aber mit dem Tod des unterlegenen Ritters endet. Einzig wenn es gegen Wikinger und andere als Barbaren titulierte Völker oder gegen nicht standesgemäße Feinde geht, hält der Tod blutige Ernte:
    Doch ehe die Axt [des Wikingers] niedersausen kann, jauchzt das „singende Schwert“ gellend auf, als seine scharfe Schneide durch Schild und Helm fährt und eine Kriegerseele aufsteigt gen Walhall. 2
    Im Krieg sterben hier nur die, die es nicht besser verdienen. Die edlen Ritter hingegen sind wackere Recken, die sich im Krieg beweisen. Der Kampf macht sie zu Helden. Es besteht offensichtlich eine enge Verbindung zwischen Krieg und Heldentum. Es sind die Kriege, oder genauer die Erzählungen davon, die aus Männern Helden machen. Aus dieser Wechselbeziehung erklärt sich viel von der Faszination, die vom Krieg ausgeht. Die Geschichten von elementaren Grenzerfahrungen und wagemutigem Handeln im Angesicht des Todes verschaffen dem Krieg sein enormes Unterhaltungspotenzial. Denn Krieg – darin besteht kein Zweifel – unterhält und hat auch im Mittelalter unterhalten. Er wurde viel besungen und firmierte als Thema in der Geschichtsschreibung, Dichtung, Epik und natürlich im höfischen Roman; er tritt uns in mannigfacher Form entgegen – |9| mal ernst und grausam:
    Gestützt auf die große Zahl von Kämpfern befahl [er], dass sie das Land, welches sie angriffen, plündern, anzünden und verwüsten sollten; all dies sollte geschehen, um die Bewohner in Angst und Schrecken zu versetzen. 3
    Oder beinahe heiter und vergnügt, auf jeden Fall voller Stolz und Anteilnahme:
    Denn da war kein Ritter oder Knappe unter all den Brabantern, der nicht des Löwen Natur aufwies, welcher von Natur aus Busch und Hecke meidet, wenn man ihn jagen will; und wenn man ihn kämpfend angreifen will, wird er trotzig und ist froh und stellt sich dem Kampf, wo er den Kürzeren zieht, zieht er den Tod der Flucht vor; genauso aufrecht wie diesen sah man sich alle Brabanter Herren, arm und reich, betragen. 4
    Das Mittelalter kannte also den Terrorkrieg, wie ihn im ersten Zitat der Normanne Robert Guiscard († 1085) in Süditalien befahl, und die tapfer kämpfenden Ritter-Helden. Im zweiten Zitat vergleicht der Dichter Jan van Heelu im 13. Jahrhundert die Kämpfer aus Brabant mit Löwen (der Löwe war das dortige Wappentier). Hier tritt uns der Krieg als Bewährungsprobe für Helden entgegen.
    Dieser vielschichtige Umgang mit dem Thema birgt für die Beschäftigung mit dem mittelalterlichen Krieg Chancen, Risiken und Nebenwirkungen. Das Interesse am Krieg sichert die Quellengrundlage für den Historiker. Viele der mittelalterlichen Texte
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