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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle
Autoren: Sara Paretsky
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Käufer fanden: Sie hatten es wunderschön renoviert, und Lake View war eine begehrte Gegend für Yuppies geworden.
    Lotty und ich sprachen wieder miteinander, aber sie wirkte gebrochen, fast hinfällig. Wir konnten die alte, tiefe Vertrautheit offenbar nicht wiederherstellen. Sie arbeitete wild, so sehr, dass das Fleisch auf ihren Knochen schrumpfte. Trotz ihrer Hektik fehlte ihr der vitale Funke.
    Als ich ihr erzählen wollte, was Simon und den anderen Gangstern zugestoßen war, die sie aller Wahrscheinlichkeit nach überfallen hatten, weigerte sie sich, mir zuzuhören. Durch die Verletzungen oder durch die Angst stieß meine Arbeit sie ab. Ich befürchtete, sie fühle sich von meinem ganzen Leben abgestoßen und ziehe sich von mir zurück. Ich sprach mit Max und mit Carol über sie. Beide machten sich Sorgen, konnten mir aber nichts raten außer Geduld.
    »Sie hat mir verziehen«, sagte Carol. »Sie wird sich auch mit dir versöhnen. Lass ihr Zeit, Vic.«
    Ich sagte gar nichts, aber mir kam das Problem ernster vor.
    Das erstaunlichste Ereignis in dieser Phase war vermutlich das Auftauchen von Mitch Krugers Sohn. Es stellte sich heraus, dass Mitch junior Erdölingenieur war, sonnenverbrannt von Monaten am Persischen Golf - er war in Kuwait gewesen, um dort beim Neuaufbau der Förderung zu helfen. Seine Mutter hatte unsere Anzeige in einer Zeitung in Arizona gesehen und sie ihm nach Kuwait City geschickt. Mitch junior machte auf dem Heimweg in Chicago Station, um herauszufinden, was wir ihm zu sagen hatten. Er bedankte sich bei uns für unsere Mühe, die Mörder seines Vaters zur Strecke zu bringen, fügte aber deprimierenderweise hinzu: »Ich kann mich nicht besonders darüber aufregen - ich kann mich kaum an ihn erinnern. Aber ich bin froh, dass er wenigstens Freunde hatte, die ihm zu Hilfe kamen, als er gestorben ist.«
    Als ich das später Conrad erzählte, lachte er. »Mach kein so niedergeschlagenes Gesicht, Ms. W. Wenigstens hat er sich bei dir bedankt. Zum Teufel, in neunzig Prozent der Fälle kriege ich für me ine Mühe bloß Schmähbriefe.«
    Während dieser Zeit arbeitete ich hart - nicht nur daran, die Anklage gegen die Felittis zu untermauern und Mrs. Frizells Haus in Ordnung bringen zu lassen, sondern ich übernahm auch Aufträge von richtigen Klienten mit richtigem Geld. Meinen ersten Vorschuss hatte ich für neue Laufschuhe ausgegeben. Trotzdem verbrachte ich so viel Zeit mit Conrad, wie es unsere vollgestopften Terminkalender zuließen.
    Mr. Contreras, der tapfer versuchte, sich nicht einzumischen, konnte sein Unbehagen nicht verstecken. Ich regte mich darüber auf und versuchte, mit Rawlings darüber zu sprechen.
    »Wenigstens redet er mit dir. Meine Schwester hat durch irgendeinen Wichtigtuer von dir erfahren und erlaubt mir nicht mehr, ihr Wohnzimmer zu beschmutzen.«
    Ich stieß laut die Luft aus, und Rawlings lachte ein bisschen. »Ja, weißes Mädchen: So was ist zweischneidig. Mach dir also wegen dem alten Mann keine Sorgen.«
    Ich versuchte es, versuchte außerdem, mich nicht zu fragen, wie lange wir uns nahe bleiben konnten, ohne dass unsere Jobs kollidierten.
    Trotz meiner Barrikade aus Arbeit ertappte ich mich immer wieder dabei, dass ich aus Albträumen vom Tod meiner Mutter aufwachte - Träume, in denen Lotty und Gabriella unauflöslich eins waren.
    Conrad war in einer Nacht bei mir, in der die unerträglichen Phantome mich aus dem Schlaf rissen. Ich versuchte, ihn nicht zu wecken, schlüpfte aus dem Bett ins Wohnzimmer und ging ans Fenster. Ich konnte undeutlich die Ecke vom Haus der Picheas ausmachen. Ich wollte hinaus in die Nacht und laufen, so schnell laufen, dass ich meinen Albträumen entkam.
    Ich versuchte, mir einen Ort vorzustellen, an dem ich draußen um drei Uhr morgens sicher war, als Conrad hinter mich trat. »Wo liegt das Problem?« Ich legte die Hände auf seine Arme, schaute aber weiter zum Fenster hinaus. »Ich wollte dich nicht wecken.«
    »Ich habe einen leichten Schlaf. Ich habe in jeder Nacht, die wir in diesem Monat gemeinsam verbracht haben, gemerkt, wie du aufstehst. Wenn du nicht willst, dass ich über Nacht bleibe, sag's mir einfach, Vic.«
    »Daran liegt es nicht.« Ich flüsterte, als erfordere die Dunkelheit Stille. Er strich mir leicht über das Haar. Wir standen einen langen Augenblick schweigend da. Ich hatte nicht vorgehabt, ihm von Lotty zu erzählen oder von meinen Albträumen, aber in der Dunkelheit, mit der Wärme seines Körpers an meinem, brach
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