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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle
Autoren: Sara Paretsky
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1
    Sex und die alleinstehende Frau
    Heiße Küsse bedeckten mein Gesicht, zerrten mich aus dem Tiefschlaf an den Rand des Bewusstseins. Ich stöhnte und rutschte tiefer unter die Decke in der Hoffnung, in den Brunnen der Träume zurückzusinken. Meiner Bettgenossin war nicht nach Schlaf zumute; sie wühlte unter der Decke und nötigte mir weitere Zärtlichkeiten auf. Als ich mir ein Kissen über den Kopf zog, wimmerte sie erbärmlich. Jetzt war ich richtig wach, rollte mich herum und schaute sie böse an. »Es ist noch nicht mal halb sechs. Völlig ausgeschlossen, dass du aufstehen willst.«
    Sie blieb unbeeindruckt, sowohl von meinen Worten als auch von meinen Versuchen, sie von meiner Brust abzuschütteln, sondern schaute mich durchdringend an, die braunen Augen weit offen, den Mund leicht geteilt, so dass die rosa Zungenspitze zu sehen war. Ich bleckte die Zähne. Sie leckte mir eifrig die Nase. Ich setzte mich auf und schob ihren Kopf von meinem Gesicht weg. »Dass du deine Küsse so wahllos verteilt hast, hat dich überhaupt erst in diese Patsche gebracht.«
    Überglücklich, weil ich wach war, plumpste Peppy vom Bett und ging zur Tür. Sie drehte sich um, wollte sehen, ob ich nachkam, und jaulte leise in ihrer Ungeduld. Ich zog aus dem Kleiderhaufen neben dem Bett ein Sweatshirt und Shorts und stapfte auf schlafschweren Beinen zur Hintertür. Ich fummelte am Dreifachschloss herum. Inzwischen jaulte Peppy ernsthaft, aber es gelang ihr, sich zu beherrschen, bis ich die Tür aufhatte. Adel verpflichtet, nehme ich an.
    Ich schaute ihr nach, als sie die drei Treppen hinunterlief. Die Trächtigkeit hatte ihre Flanken aufgebläht und sie langsamer gemacht, aber sie schaffte es zu ihrer Stelle am Hintertor, ehe sie sich erleichterte. Als sie fertig war, machte sie nicht die übliche Runde durch den Hof, um Katzen und andere Räuber zu vertreiben. Stattdessen watschelte sie zur Treppe zurück. Sie blieb vor der Tür im Erdgeschoss stehen und bellte laut. Schön. Sollte Mr. Contreras sie nehmen. Er war mein Nachbar im Erdgeschoss, Mitbesitzer der Hündin und allein verantwortlich für ihren Zustand. Eigentlich nicht ganz allein - das war das Werk eines schwarzen Labradors vier Türen weiter gewesen. Peppy war in jener Woche, in der ich auf der Spur einer Industriesabotage die Stadt verließ, läufig geworden. Ich beauftragte einen Freund, einen Möbelpacker mit Muskeln aus Stahl, sie zweimal am Tag auszuführen - diesmal an einer kurzen Leine. Als ich Mr. Contreras sagte, Tim Streeter werde von nun an kommen, war er tief verletzt, wenn auch leider nicht sprachlos. Peppy sei ein wohlerzogener Hund, der komme, wenn er gerufen werde, sie brauche keine Leine; und überhaupt, was bildete ich mir denn ein, Leute damit zu beauftragen, Peppy auszuführen? Wenn er nicht wäre, hätte sich niemand um sie gekümmert, wo ich doch von vierundzwanzig Stunden zwanzig nicht da sei. Ich verreiste doch, nicht wahr? Ein weiteres Beispiel dafür, wie ich das Tier vernachlässigte. Und davon abgesehen, sei er rüstiger als neunzig Prozent der jungen Schwachköpfe, die ich anschleppte.
    Weil ich es eilig hatte, hörte ich mir nicht den ganzen Sermon an, pflichtete ihm nur bei, er sei für siebenundsiebzig in hervorragender Form, bat ihn aber, mir in dieser Frage meinen Willen zu lassen. Nur zehn Tage später erfuhr ich, dass Mr. Contreras Tim die Tür gewiesen hatte. Das Ergebnis war zwar katastrophal, aber ganz und gar vorauszusehen.
    Der alte Mann begrüßte mich mit kummervoller Miene, als ich über das Wochenende aus Kankakee zurückkam. »Ich weiß einfach nicht, wie das passieren konnte, Engelchen. Sie ist immer so brav, kommt, wenn sie gerufen wird, und dieses Mal reißt sie sich einfach los und rennt die Straße entlang. Mir ist das Herz in die Hose gerutscht, großer Gott, hab ich gedacht, was ist, wenn sie überfahren wird, wenn sie sich verläuft oder gestohlen wird, Sie wissen schon, dauernd liest man was über diese fahrenden Labore, die Hunde auf der Straße oder auf dem Hof klauen, man sieht seinen Hund nie wieder und weiß nicht, was ihm passiert ist. Ich war so erleichtert, als ich sie eingeholt habe - du meine Güte, ich hätte gar nicht gewusst, was ich sagen soll, damit Sie verstehen -« Ich raunzte ihn ohne Mitgefühl an: »Und was wollen Sie mir wegen dieser Geschichte erzählen? Sie haben nicht gewollt, dass sie sterilisiert wird, aber Sie haben sie nicht unter Kontrolle, wenn sie läufig ist. Wenn Sie nicht so
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