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0112 - Acht Minuten nach Mitternacht

0112 - Acht Minuten nach Mitternacht

Titel: 0112 - Acht Minuten nach Mitternacht
Autoren: Acht Minuten nach Mitternacht
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»Ob die wohl wirklich noch arbeiteten oder nur Reklame machen?«, sagte Phil Decker grinsend und deutete hinüber zu dem riesigen, viereckigen Kasten des UN-Gebäudes mit seinen hell erleuchteten Fenstern, das sich wie die Wabe eines Bienenstocks gegen den Nachthimmel abhob.
    »Da musst du Mr. Hammarskjöld fragen«, meinte ich. »Der sollte es ja wissen.«
    Wir bogen in die 48te Straße ein. Es war fast Mitternacht und immer noch reichlich kühl. Zwar hatten wir schon April, aber der Frühling nahm sich einmal wieder Zeit. Je weiter wir nach Westen kamen, umso stiller wurden die Straßen. Nur über die Lexington Avenue ergoss sich noch ein Strom von Autos, Bussen, und Menschen, die aus den Theatern kamen oder sich in den Nachtlokalen rund um die 52te Straße amüsieren wollten. Vor uns reckte sich der Turm des Chrysler-Gebäudes mit seinen siebenundsiebzig Stockwerken empor. Wir überquerten die Gleise, die zur Centralstation führen, und bummelten weiter.
    Von den Kirchen schlug es Mitternacht. Wir hatten meinen Jaguar am Parkplatz des Rockefellercentre abgestellt, um die herrliche Nacht zu genießen.
    Knappe dreißig Yards vor uns ging ein Mann mit tief in die Taschen seines Mantels vergrabenen Händen. Er hatte einen eigentümlichen schleppenden Gang und hielt den Kopf gesenkt, als ob er in Gedanken versunken sei.
    Hinter uns stachen zwei Scheinwerfer durch die Nacht. Ein Kraftwagen surrte an uns vorüber, stoppte plötzlich dicht neben dem Fußgänger, der zusammenfuhr und eine Bewegung machte, als wollte er flüchten. Zwei Schatten sprangen aus dem Auto. Wir sahen hoch erhobene Arme, hörten ein paar dumpfe Schläge. Dann waren die drei Gestalten verschwunden, und der Wagen brauste in Richtung Madison ab. Aber nein, nur zwei der Männer waren unsichtbar. Der dritte lag, ein schwarzes Bündel, auf dem Bürgersteig. Der ganze Vorgang war mit so gespenstischer Lautlosigkeit erfolgt, dass wir erst jetzt begriffen, was geschehen war.
    Wir liefen los. Der Mann im Mantel lag auf dem Gesicht, den Hut hatte er verloren, und von seinem Hinterkopf rieselte Blut.
    »Vorsicht«, sagte ich und versuchte, den Niedergeschlagenen umzudrehen, aber nachdem ich seinen Kopf gehoben und in die offenen Augen geblickt hatte, unterließ ich es.
    Er war tot. Wenn ich noch niemals bereut hatte, meinen Jaguar nicht zur Hand zu haben, so war es jetzt. Fern vor uns entschwand das rote Rücklicht, und wir hatten keine Möglichkeit, die Totschläger zu verfolgen. Wir hatten nicht einmal die Autonummer. Fünfzig Yards weiter leuchtete das Schild einer kleinen Bar. Ich blieb bei dem Toten, dem nicht mehr zu helfen war, während Phil ans Telefon rannte.
    Ein Streifenwagen der City Police und wenig später die Mordkommission jagten mit heulenden Sirenen heran. Neugierige Nachtbummler waren stehengeblieben und wurden von den Cops auf Abstand gehalten. Wir sagten dem Detective-Lieutenant das wenige, was wir beobachtet hatten. Er zuckte mit den Schultern und durchsuchte zuerst die Taschen des Toten.
    Dieser hatte einen Ausweis auf den Namen Robin Masters, einen Führerschein, etwas über hundert Dollar und verschiedene Papiere bei sich. Unter diesen Papieren jedoch befand sich ein Entlassungsschein des Staatsgefängnisses, und dieser Entlassungsschein war genau zwei Tage alt. Jetzt wusste ich auch, woran der schleppende Gang des Mannes mich erinnert hatte. Leute, die eine langjährige Freiheitsstrafe verbüßt haben, gehen so und werden die Art, wie sie ihre Füße in den endlos langen Korridoren der Strafanstalt und auf dem Gefängnishof beim Spaziergang setzten, schwer oder niemals wieder los.
    »Ein Gangstermord«, sagte der Lieutenant achselzuckend. »Entweder war es ein Racheakt, oder er wusste zuviel«.
    »Sind Sie sicher, dass nichts geraubt wurde?«
    »Ganz sicher«, entgegnete ich. »Es ging alles viel zu schnell, als dass dazu überhaupt Gelegenheit gewesen wäre.«
    ***
    Es war drei Monate später an einem heißen Julitag, und ich hatte den immer noch ungeklärten Mord in der 48ten Straße schon vergessen, als Mr. High, der Chef des Federal Bureau of Investigation, New York District, Phil und mich in sein Office kommen ließ.
    »Setzen Sie sich«, sagte er freundlich, wie immer, warf einen Blick auf seinen Notizblock und fuhr fort: »Ich habe soeben Besuch gehabt. Sie kennen doch Mr. Le-Moine Snyder?«
    Wir nickten beide.
    »Selbstverständlich«, sagte ich.
    Und ob ich diesen Herrn kannte. Er war Mitglied einer Einrichtung, die sich als
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