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Eine Frau - Ein Bus

Titel: Eine Frau - Ein Bus
Autoren: Doreen Orion
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mir doch einen Pullover anziehen - in meinem eigenen Haus! Für mich riecht das viel zu sehr nach Anziehen. Und wieso sollte ich so leiden? Ich bestehe drauf, dass es warm genug sein muss, um mich wohl zu fühlen, wenn ich einen Pyjama trage. Zwar bin ich willens, im Winter auf Flanell umzusteigen, aber Tim sagt, nur weil ich stinkfaul sei, bedeute das nicht, dass er das auch noch unterstützen müsse.
    Zu Beginn unseres Zusammenlebens fiel ihm auf, dass die Raumtemperatur am Thermostat stets höher war, wenn er abends von der Arbeit nach Hause kam. Aber ein echter Superheld streitet sich nicht, sondern schwingt sich mühelos von einem Haus zum nächsten, fliegt um die Erde, um den Lauf der Zeit zu verändern, und macht bewaffneten Divisionen den Garaus, ohne dafür eine eigene Armee zu brauchen. Ein häuslicher Superheld hingegen wartet, bis seiner Frau nichts anderes übrig bleibt, als irgendwann das Haus zu verlassen, weil sie zum Friseur muss. Dann installiert er einen schicken, neuen, für-Wesen-mit-zwei-X-Chromosomen-völlig-unverständlichen Thermostat. Es dauerte Monate, bis ich den »Bullenhitze«-Knopf gefunden hatte. Und wenn es endlich so weit war, schleppte er ein neueres, noch viel unverständlicheres Gerät an.
    Dies war der Startschuss für den Thermostat-Krieg, der bis zum heutigen Tag andauert. Gerade wenn ich meinen Feind endlich besiegt zu haben glaube, schürt Tim den Konflikt, in dem er moderne Technik herbeischafft, worauf die Gefechte erneut aufflammen und ich mit meinen bescheidenen Waffen verzweifelt versuche, der Lage Herr zu werden. Entspannungspolitik ist ein Fremdwort im Umgang mit meinem Mann. Er weigert sich schlicht und ergreifend,
zu verhandeln, selbst wenn ich ihn zwinge, Zeuge meiner jämmerlichen Versuche zu werden, meine Körperwärme aufrechtzuerhalten, indem ich eine arglose Katze schnappe und die Hitze aus meinem nicht menschlichen Schutzschild absauge. Mein Prinzessinnen-Status ist kein ebenbürtiger Gegner für Tims Superkräfte, deshalb fürchte ich, zu einem Leben im Zustand fortwährender Untertemperierung verdammt zu sein.
    Jedoch habe ich nach einer köstlich befriedigenden Eskalation der Feindseligkeiten zwischen uns einen kleinen Sieg errungen, als wir einige Jahre vor der Bus-Geschichte Tims Vater in Arkansas besuchen waren.
    Vielleicht liegt dort die Wurzel von Tims verrückten Ideen. Bob hat sein gesamtes Leben als Briefzusteller gearbeitet, bis er endlich in Rente ging, und was macht er jetzt? Kauft sich eine Farm in einer Kleinstadt in Arkansas, betreibt sie ganz allein und arbeitet schwerer als je zuvor. Das erste Mal besuchten wir ihn im Juli. Juli in Arkansas. Der Fairness halber muss ich sagen, dass Bob die Klimaanlage eingeschaltet hatte. Nur eben nicht annähernd hoch genug. Tim besaß doch tatsächlich die Frechheit, auf die Ironie hinzuweisen, dass mich die Gradzahl, die mich im Winter in helle Freude versetzt hätte, im Sommer in tiefstes Elend stürzte.
    »Was willst du von mir?«, jaulte ich. »Jeder weiß, dass fünfundzwanzig Grad im Winter nicht dasselbe sind wie fünfundzwanzig Grad im Sommer.« Allround-Freak blieb völlig ungerührt. Zum Glück für mich beinhaltet das Leben auf einer Farm, dass man unmittelbar nach dem Abendessen zu Bett geht. Nachdem Bob sich also am ersten Abend zurückgezogen hatte, drehte ich den verflixten Thermostat herunter, ein Relikt aus der präindustriellen Vorzeit, dessen
Bedienung mir nach all den Jahren des Krieges mit seinem Sohn keinerlei Probleme bereitete. Pech für mich ist allerdings, dass es auch zum Farmleben gehört, wesentlich früher aufzustehen, als ich üblicherweise bereit bin. Das Lümmeln im Bett, auf das ich mich während meiner Ferien so gefreut hatte, wurde dadurch beeinträchtigt, dass ich mich am nächsten Morgen schweißgebadet im Bett herumwälzte. Bob war bereits seit Stunden auf den Beinen und hatte die Temperatur auf eine postnukleare Höhe eingestellt.
    Wie konnten zwei Männer, die sich nie sonderlich nahe gestanden hatten, einander so ähnlich sein? Wir hatten vor, während unseres Bus-Jahres wieder in Arkansas vorbeizusehen. Ich konnte nur beten, dass Tims Vorhaben, ein wenig mehr Zeit mit seinem Vater zu verbringen, nicht bedeutete, dass sich ihre neu gefundene Nähe in dem verrückten Wunsch äußerte, auch noch riesige, dusselige Kühe zu melken.
     
    Im Winter 2003 telefonierte ich im ganzen Land herum. Da mein Schreibtisch zu Hause steht (mit zwei Katzen, die um den Platz auf
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