Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Frau - Ein Bus

Titel: Eine Frau - Ein Bus
Autoren: Doreen Orion
Vom Netzwerk:
zurück, während er seine Hirnwindung nach einer Möglichkeit durchforstete, sich aus dieser Klemme herauszuwinden. Schließlich seufzte er.
    »Es ist nur etwas, was ich wirklich gern tun möchte, solange wir noch jung sind und es genießen können. Mein ganzes Leben lang habe ich das Richtige getan. Wie man es von mir erwartet hat. Jetzt will ich einmal etwas für mich selbst tun. Und ich möchte es mit dir tun.« Mit einem Mal überfiel mich dieselbe Sentimentalität wie damals, als er mir gestand, unter welchem Vorwand er mich in diese Bar gelockt hatte. Ich gab ihm einen Kuss. »Ich überlege es mir«, versprach ich, aber wir wussten es beide. Er hatte mich rumgekriegt. Wieder mal.
    Außerdem war das ein Argument. Wie viele andere hatten Tim und ich bis Ende dreißig unser Leben in der festen Überzeugung gelebt, unbesiegbar zu sein. Es war nicht nur höchst unwahrscheinlich, dass uns etwas Schlimmes zustoßen könnte, sondern auch unsere Sterblichkeit war nicht im Mindesten plausibel. Als wir vierzig wurden, änderten sich die Dinge ein wenig, als plötzlich Weggefährten Opfer völlig unerwarteter Tragödien wurden: Eine gemeinsame Freundin erkrankte an Brustkrebs, ein Kollege erlitt im Schlaf einen tödlichen Herzinfarkt. Zum ersten Mal spürten wir ein Ziehen und Kneifen an Stellen unserer Körper, an die wir seit dem Anatomiekurs im Studium nicht mehr gedacht hatten. Im Lauf unserer Karrieren waren wir Menschen begegnet, die sich darauf gefreut hatten, all ihre
Pläne nach der Pensionierung in die Tat umzusetzen, nur um dann, als es endlich so weit war, zu krank für lange Reisen oder wegen des Todes des Lebenspartners so am Boden zerstört zu sein, um ihre Träume zu verwirklichen.
    Und all das zeigte Wirkung, als wir offiziell in die mittleren Jahre kamen. Wir wussten, dass wir froh sein konnten, immer genug Arbeit zu haben, schließlich sind Neurosen eindeutig im Aufschwung begriffen. Wir konnten es uns leisten, uns eine Auszeit zu nehmen und später weiterzuarbeiten.
    All diese gravierenden Überlegungen stellten meine Entschlossenheit auf eine harte Probe. Am Ende bekam Tim, was er wollte. »Überleg doch nur. Wir haben keine Kinder, die uns zwingen, hierzubleiben. Wir können tun, was wir wollen, wenn wir es wollen. Ich möchte nicht auf Kinder verzichtet haben, ohne in den Genuss eines anderen Vorteils zu kommen.«
     
    Tim und ich waren immer davon ausgegangen, eines Tages Kinder zu haben. Es schien nur nie der richtige Zeitpunkt dafür zu sein. Für keinen von uns. Doch als die Jahre ins Land gingen, wurde uns beiden bewusst, dass uns nichts fehlte. Und da wir bei unseren Freunden mitbekamen, wie viel Arbeit es darstellte, ein Kind großzuziehen (besonders die Notwendigkeit, in regelmäßigen Abständen das Haus zu verlassen, um sie irgendwohin zu fahren und - oh Gott - am Rand eines Fußballfelds auf sie zu warten), gelangte ich allmählich zu dem Entschluss, dass die Mutterschaft nicht das Richtige für mich war. Da Tim ebenso wenig das unbezwingbare Bedürfnis hatte, Vater zu sein, einigten wir uns darauf (besonders nach allem, was wir in unserem Beruf miterlebten), dass es nicht fair wäre,
ein Kind zu bekommen, wenn wir nicht das ausreichende Maß an Motivation dafür mitbrachten. Stattdessen wurden unsere Haustiere zu unseren Kindern, und durch sie ist uns klar geworden, dass unsere Entscheidung goldrichtig war. Und nicht nur für uns, sondern auch für den Rest der Menschheit.
    Das Leben bei uns sieht so aus: Unsere beiden Katzen laufen kreuz und quer auf dem Tisch herum, während wir essen, und reißen sich alles unter die Kralle, was sie kriegen können. Sie springen die ganze Nacht zu uns ins Bett und wieder heraus, legen uns die Pfoten aufs Gesicht, fordern Zärtlichkeitsbeweise ein (ja, es ist hinreißend, aber auch nur beim ersten Mal) und terrorisieren uns mit markerschütterndem Geschrei, während wir gerade telefonieren (und sie folglich nicht beachten), was uns bereits mehrfach einen Besuch des Tierschutzvereins eingebracht hat.
    Unser Großpudel ist daran gewöhnt, uns überallhin zu begleiten. Wenn das aus irgendeinem Grund ausgeschlossen ist, straft er uns mit einem Blick aufrichtiger Verzweiflung und schwingt seinen pelzigen Hintern aufs Sofa, obwohl er ganz genau weiß, dass er es nicht darf. Natürlich bringen wir es nicht übers Herz, ihn zu verscheuchen, wo er ohnehin schon so grausam misshandelt wird.
    Hätten wir Kinder, wären sie die reinsten Ungeheuer. Die zu großen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher