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081 - Hexentanz

081 - Hexentanz

Titel: 081 - Hexentanz
Autoren: Frank deLorca
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»Avez-vous une chambre de libre – pas trop chere?«, fragte ich in meinem besten Französisch. »Haben Sie ein Zimmer frei, das nicht allzu teuer ist?«
    Ich unterrichte diese Sprache nämlich in einem britischen Knabeninternat und hatte auf meiner Reise, die mich von Paris über Bouillon nach Luxemburg führen sollte, wiederholt Gelegenheit gehabt, mir ein ›Ungenügend‹ zu geben.
    »Im Ernst?« fragte die alte Dame mit tiefer Stimme. Sie hatte nur noch wenige, dafür aber umso schlechtere Zähne. Immerhin trug sie ein sehr elegantes blauweißes Kleid, einen goldenen Armreif und einen Ring, dessen Machart auf Arabien schließen ließ.
    Die merkwürdige Frage ließ mich verstummen.
    »Kommen Sie!« befahl die Frau. »Sie können sich eins aussuchen. Um diese Zeit ist hier nichts mehr los.«
    Das weitläufige Gebäude war nur spärlich beleuchtet. Überall hingen Jagdtrophäen. Ein Keiler zeigte seine Hauer.
    Die alte Dame geleitete mich in die erste Etage. Der Weg führte über eine ausgetretene Steintreppe, die nur notdürftig von einem verschlissenen Teppich verdeckt wurde. Das Muster schien mir arabischen Ursprungs.
    Auf dem langen, winkeligen Korridor hatten zwei normal gebaute Menschen Mühe, aneinander vorbeizukommen. Hinter Ecken und Biegungen lauerten verstaubte Spiegel.
    Hier machte ich eine Beobachtung, die mir zu denken gab: meine Führerin erzeugte mein Spiegelbild. Immer war nur ich zu sehen, während die alte Dame nicht zu existieren schien.
    Die Grabesruhe der abgeschiedenen, hohen Räume, der Rauch von Moder und Verfall, die Einsamkeit dieses Gasthauses bedrückten mich. Wäre es früher am Tage gewesen, ich hätte mich nach einer anderen Bleibe umgesehen. Andererseits mußte der Preis für die geplanten drei Übernachtungen meiner Reisekasse bekömmlicher sein. Schließlich würde mich die Autopanne genug kosten. Der Besitzer der Reparaturwerkstatt auf dem anderen Ufer des Flusses Semois hatte von einer Austauschmaschine gesprochen.
    »Hier haben Sie eine herrliche Aussicht«, pries die Vermieterin mir den Raum an, dessen Tür sie weit aufgestoßen hatte. Ihr Schmuck klirrte leise. Die Hand mit den blauen Adern unter wachsbleicher Haut wies einladend auf eine Kammer mit einem französischen Doppelbett.
    Der goldene Ring mit arabischen Schriftzeichen reflektierte das unruhige Licht der Kerze.
    Vor dem Fenster, dessen Rahmen nach frischem Lack schrie, baumelte eine Kette geisterhaft bleicher Knollen, die ich bei näherem Hinsehen als Alraune einstufte. Die Mandragora wird in vielen romanischen Ländern zur Abwehr böser Geister benutzt.
    Zögernd betrat ich den Raum. Im gleichen Augenblick schrak ich zusammen. Im Hof heulte schaurig ein Hund. Man sagt diesen Tieren nach, daß sie den Tod ahnen und ihn durch unermüdliches Jaulen anzeigen.
    Das Zimmer war – obgleich es Anfang Oktober noch keine wirkliche Kälte gab – überheizt. Schal und bedrückend stand die Luft zwischen den fleckigen Tapeten. Das Fenster war verrammelt. Es gab keinen Zug. Und doch verlöschte die Kerze in der Hand der alten Dame plötzlich.
    Wir standen in absoluter Finsternis.
    Der Mond tastete mit Geisterfingern das Fensterbrett ab. Ich erkannte draußen düstere bewaldete Höhenzüge und die Umrisse einer mächtigen Burg. Das Rauschen der Semois drang herein, die unweit dieses Hotels über eine Staumauer stürzte.
    Meine Gastgeberin fing sich sofort.
    Sie schaltete das elektrische Licht ein.
    Eine einzige Birne unter einem verstaubten Schirm flammte auf. Diese Beleuchtung wirkte noch trister und unterstrich die Ärmlichkeit des Raumes, der mit uralten Möbeln vollgestopft war.
    Unsicher stellte ich meinen Koffer ab.
    Ich blickte mich um und machte wohl kaum ein begeistertes Gesicht. Aber die alte Dame reagierte nicht. Mit unbewegtem Gesicht, wünschte sie mir eine ›angenehme Nacht‹ und zog sich zurück. Sie brauchte keine Kerze. Sie fand den Weg im Dunkeln.
    Ich knipste die Flurbeleuchtung an.
    Merkwürdig genug! Jeder Schrank warf einen deutlichen Schatten. Nicht so die alte Dame. Ich hatte Zeit genug, mich davon zu überzeugen. Leise klapperten ihre hohen Absätze über den rotgefliesten Boden. Aber sie warf nicht den geringsten Schatten.
    Ich schalt mich einen Narren, führte meine Beobachtungen auf eine Überreizung meiner Nerven zurück und beschloß, ihnen keinerlei Bedeutung beizumessen.
    Ich hatte einen schweren Tag hinter mir und brauchte Ruhe. Das war alles. Im hellen Sonnenschein mochte alles anders
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