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Eine Frau - Ein Bus

Titel: Eine Frau - Ein Bus
Autoren: Doreen Orion
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die Hand auf die Stirn zu legen, ob ich fieberte.
    Der Morgen des 18. Juni 2004 dämmerte. Es versprach ein sonniger, schöner Tag zu werden. Tim und ich waren ausgeruht, als wir unser Zuhause verließen, um uns auf eine Probefahrt zu begeben. Erster Halt: Reno, Nevada.
    Zumindest war es so geplant.
    Und so sah die Realität aus: Wir wachten spät auf, draußen goss es wie aus Eimern. Da wir in einer engen Sackgasse wohnen, bekam ich den Auftrag, Tim zu dirigieren, während er rückwärts den Hügel herunterfuhr, damit niemand auf der Straße war, wenn er mit dem Heck in die Kreuzung fuhr. Kein Problem, dachte ich. Ich bin schon unzählige Male geflogen und habe den Lotsen auf dem
Flugfeld zugesehen, wie sie die Maschine mit dem Stakkato-Ballett ihrer Arme in die richtige Position bringen.
    Schnell fand ich heraus, warum diese Männer Turnschuhe trugen.
    Der Regen hatte kurz nachgelassen, und alles lief prächtig, bis ich rückwärtsging. Ich trat ein Stück seitlich hinter unseren knapp fünfzehn Meter langen Koloss von Bus, damit Tim mich in den Spiegeln sehen konnte. Ich dirigierte ihn den Hang herunter, die Arme rechtwinklig ausgestreckt, die Unterarme parallel zueinander, und vollführte abwechselnd Seitwärts- und Abwärtsbewegungen … bis mir meine süße kleine Sandale auf der rutschigen Straße vom Fuß gerissen wurde. Eilig machte ich das international bekannte »Halt«-Signal - wildes Schlegeln der Arme -, trat hinter den knapp zwanzig Tonnen schweren Prevost, bückte mich und rettete meine kleine Annie-Klein-Waise. In diesem Augenblick registrierte ich ein lautes Zischen, bei dem es sich, wie ich später noch erfahren sollte, um die Hydraulikbremsen handelte. Ich erfüllte meine Mission und kletterte in den Bus. Ich war einigermaßen stolz auf mich, bis Tim mich ansah, dessen Gesicht weiß wie der süße kleine Camper war, von dem ich mir schon bald wünschen sollte, wir hätten ihn anstelle unseres Ungetüms gekauft.
    »Du trittst NIEMALS WIEDER hinter den Bus, wenn ich rückwärtsfahre«, erklärte er mit einer Schrillheit in der Stimme, die ich noch nie bei ihm gehört hatte.
    »Aber, Schatz«, erwiderte ich, »du hättest beinahe meine Lieblingssandale überfahren.«
    »Du trittst NIEMALS hinter den Bus, während ich rückwärtsfahre«, wiederholte er. Sein neues Mantra. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass er aus Angst um mein Leben an diesem Tag die Stimme erhob.

    Nachdem Tim unser Zusatzfahrzeug, einen Jeep, an den Bus angehängt hatte, machten wir uns auf den Weg und fuhren ohne weitere Zwischenfälle dahin, bis wir zehn Minuten später den Highway erreichten. Bei sechzig Meilen pro Stunde flog mit einem Mal die Tür auf. Natürlich war ich diejenige, die auf dem Beifahrersitz und damit direkt links daneben saß.
    »SCHEISSE!«, brüllte Tim. »Du bist doch angeschnallt, oder?« Natürlich war ich das. Hielt er mich etwa für verrückt? Er hatte gerade einmal sechs Stunden Fahrpraxis mit diesem Ungetüm.
    »Ich kann sie zumachen«, erklärte ich ruhig, wohl wissend, dass man den Fahrer nicht stören durfte. Schließlich musste es ja einen Grund für das Schild AUS SICHERHEITSGRÜNDEN IST DAS FAHREN DES BUSSES NICHT GESTATTET, SOLANGE SICH PASSAGIERE VOR DER WEISSEN LINIE BEFINDEN über dem Fahrersitz geben. Ich löste den Sicherheitsgurt, kletterte vom Sitz und trat vor die Vordertür (und damit vor die weiße Linie). Mit der rechten Hand umfasste ich den Türgriff. Eins. Zwei. Drei. Als ich die Tür zu mir heranzuschwingen versuchte, riss sie mir der Wind aus der Hand, so dass sie noch weiter aufging, nur dass ich nun daranhing.
    »SCHATZ! HÖR AUF!«, brüllte Tim. Es war weniger seine kastratenhafte Stimmlage, sondern vielmehr der eiskalte Regenguss auf meinem Gesicht, der mich in den Sandra-Bullock-Erstarrungsmodus versetzte. Mit meiner Linken umfasste ich den Handlauf an den Stufen, während ich mit der rechten Hand noch immer den Türgriff festhielt. Mein Weg in den sicheren Tod (oder bestenfalls geradewegs in ein Leben mit einer beachtlichen Menge an Prothesen) fand ein Ende.

    »LASS DIE TÜR LOS!«, brüllte Tim und lenkte den Bus auf den Standstreifen.
    »Nein«, schrie ich zurück, »ich glaube, ich schaffe es.« Während ich sinnierte, weshalb Ms. Bullock all diese Stunts in einem einfachen Sommerkleid absolvieren konnte, während ich einen brandneuen Designer-Jogginganzug anhatte und nichts anderes zu tun brauchte, als eine Tür zu schließen, ließ ich meine Hand auf dem
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