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Ein Sarg für zwei

Ein Sarg für zwei

Titel: Ein Sarg für zwei
Autoren: Michelle Rowen
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    Prolog
     
    Zehn Wochen zuvor
     
    Sie trug
keine Schuhe. Das fiel ihm zuerst auf.
    Dann dachte
er, dass die attraktive Brünette komplett verrückt sein musste. Es war die
einzige logische Erklärung, denn sie kam auf ihn zu.
    Er
beobachtete verstohlen, wie sie sich durch die schmalen Gitter des Geländers
zwängte und den Ausblick bewunderte. Dann setzte sie sich neben ihn, und sie
hockten nebeneinander auf dem Stützpfeiler einer sehr hohen Brücke über einem
sehr dunklen, sehr kalten Fluss.
    Schließlich
sah sie ihm mit angstgeweiteten Augen direkt ins Gesicht.
    »He!«, rief
sie. Eine Windböe erfasste den Saum ihres dünnen Seidenkleides und entblößte
ihre langen Beine. Ihr Ledermantel, der eher modische Zwecke erfüllte, als dass
er einen auch nur entfernt wirksamen Schutz gegen die frühe winterliche Kälte
geboten hätte, klaffte vorne auf.
    Komm mir
bloß nicht näher , dachte er. Sie würde sich umbringen, wenn sie auch noch
über die Sicherheitsbarriere der Brücke kletterte. Er wollte heute Nacht
sterben, hatte jedoch nicht das geringste Verlangen danach, zuzusehen, wie
jemand so eine Dummheit beging.
    »Verschwinden
Sie!«, murmelte er.
    Sie
verschwand nicht. Stattdessen sah sie sich suchend um. »Heiliges Kanonenrohr!
Das ist ziemlich hoch, was?«
    Eine
bemerkenswerte Beobachtung . Er musterte sie, während sie vorsichtig näher
an ihn heranrückte. Verrückt. Sie war garantiert total durchgeknallt.
    »Helfen Sie
mir!«
    Er runzelte
die Stirn. »Helfen Sie sich selbst. Sehen Sie nicht, dass ich vorhabe, mich
umzubringen?«
    Er
unterdrückte rigoros jede mitfühlende Regung und blickte auf das dunkle Wasser
des Don River weit unter ihm. Also wirklich, es hätte kaum einen ungünstigeren
Zeitpunkt für diese Unterbrechung geben können. Außerdem brachte sie sich in äußerste
Lebensgefahr.
    »Helfen Sie
mir erst, dann können Sie sich immer noch umbringen«, schlug die Frau vor.
    Wer war sie?
Was wollte sie hier? Wusste sie, wer er war? Hatte man sie vielleicht
geschickt, um ihn daran zu hindern, seinem schon viel zu langen Leben ein Ende
zu setzen?
    Nein. Diese
junge Frau, die sich entschlossen hatte, am Ende dieses kalten Novembers barfuß
auf diese Brücke zu klettern, hatte nicht speziell nach ihm gesucht. Er
erkannte es an ihrem Blick. Er konnte ihre Angst förmlich riechen. Dies hier
war nichts weiter als ein Zufall.
    Allerdings
einer, der ihm ziemlich ungelegen kam.
    Außerdem
hatte sie Bissspuren am Hals. Diese Frau war gerade erst von einem Vampir
gebissen worden.
    Das Blut an
ihrem Hals war noch ganz frisch...
    Er
ignorierte seinen aufflammenden Hunger, seine Reißzähne, die plötzlich länger
wurden und schmerzten. Er hatte seit hundert Jahren kein frisches menschliches
Blut mehr getrunken. In seinem Alter brauchte er das nicht mehr, aber das
Verlangen danach lauerte ständig in ihm. Jeden Tag. Jede Stunde.
    Die langen
Schatten von drei Gestalten näherten sich ihnen. Es waren drei Männer. Er hielt
die Luft an. Waren sie hinter ihm her? War man ihm zur Brücke gefolgt?
    Heute Nacht
würde er den Schlusspunkt unter sein langes Leben setzen. Damit würde der
sogenannte Meistervampir Thierry de Bennicœur sein Ende finden und nach beinahe
siebenhundert Jahren sterben. Waren diese Männer ihm gefolgt, um Zeuge seines
Schicksals zu sein?
    Nein. Sie
hatten nur Augen für die Frau. Ein großer blonder Kerl, eindeutig ein Mensch,
grinste siegessicher. Sein Blick streifte Thierry nur kurz, bevor er wieder zu
der Frau zurückglitt.
    »Ein Freund
von dir?«, fragte er sie.
    »Ein sehr
guter Freund sogar«, erwiderte die Frau hastig und sah Thierry ängstlich an.
»Er wird Ihnen mächtig in den Hintern treten, wenn Sie mich nicht in Ruhe
lassen.«
    Wie bitte ?
Thierry hob erstaunt eine Braue. Hatte sie gesagt, in den Hintern treten?
Diesen Hünen?
    Der Blonde
schnaubte verächtlich. »Das würde ich gern sehen.«
    »Vampirjäger!«,
stieß Thierry hervor. Er war in seinem Leben genügend Vampirjägern begegnet, um
in dem Blonden einen von dieser Sorte Mensch zu erkennen. Dass der Jäger einen
angespitzten Holzpflock in der Faust hielt, war zwar obendrein ein recht
deutlicher, aber überflüssiger Hinweis.
    »Wer will
das denn wissen, hm?« Während der Mann sprach, glitt sein Blick von den nackten
Füßen der Frau ihre langen, schlanken Beine hinauf. Es war der Blick eines
Raubtiers, und zwar eines von der Sorte, die nicht nur nach dem Tod ihres
Opfers trachtete.
    Jäger
liebten es, mit ihrer
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