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Julian und das Ende der Nacht

Titel: Julian und das Ende der Nacht
Autoren: Christine Cara Wagner
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    „Noch mehr Blut macht diese Welt auch nicht besser“, schrie Amanda Rafael hinterher, doch ihre Worte verhallten ignoriert im Dunkel der Nacht. Wütend knallte Amanda die Tür zu und kehrte zu Lara und Diana ins Wohnzimmer zurück.
    „Beunruhigt dich gar nicht, was da seit vier Monaten in dir heranwächst?“, fragte Lara erneut, nachdem sich Gabriel, Henry und Rafael auf den Weg gemacht hatten, Söhne der Nacht zu jagen.
    „In mir wächst das Kind einer großen Liebe“, erwiderte Diana ruhig und legte Laras Baby ins Körbchen zurück.
    „Selbst Henry hat zugegeben, dass er nicht sicher ist, was aus einer Kreuzung zwischen einer Auserwählten und einem Sohn der Nacht herauskommt“, blieb Lara hartnäckig.
    „Henry benutzte nicht das Wort Kreuzung“, wies Diana Lara zurecht. „Warum sprichst du nicht aus, was dich wirklich bedrückt?“
    „Ich bekomme dich kaum noch zu Gesicht, ständig bist du mit Henry bei Kassandra und Thomas. Ich bin deine Familie. Du bist meine Schwester. Du solltest hier sein“, erklärte Lara eifersüchtig.
    Diana atmete tief durch und nahm neben Lara auf dem Sofa Platz.
    „Henry ist überglücklich, eine Nachfahrin seiner Mutter gefunden zu haben. Er hat zum ersten Mal im Leben eine Familie. Es tut mir leid, wenn du dich vernachlässigt fühlst.“ Versöhnlich umarmte Diana ihre Schwester.
    „Stört es euch gar nicht, dass sich unsere Männer im Blutrausch befinden?“, fauchte Amanda, die in einem Sessel Platz genommen hatte. Seit Gabriel vor einer Woche die blutleere Leiche einer jungen Frau gefunden hatte, zog er mit Henry und Rafael jeden Abend los, um die Welt ein wenig besser zu machen, wie er es nannte.
    „Je schneller sie die Söhne der Nacht vernichtet haben, umso schneller wird ihre Aufmerksamkeit wieder uns gehören“, beruhigte Lara Amanda, die sich immer noch schwer tat, von der Existenz der Söhne der Nacht zu wissen.
    „Ewan sollte hier sein und seine Söhne jagen, er ist verantwortlich für ihre Blutgier.“ Verbitterung klang in Amandas Stimme mit.
    „Ich hoffe, auch Cara und Ewan kommen bald aus der höchsten Ebene zurück. Ich wäre gerne bei ihrer Hochzeit dabei gewesen, doch Ewan hielt Henrys Anwesenheit nicht für klug“, seufzte Diana. „Willst du meine Meinung zu Henrys Anwesenheit hören?“, fragte Lara schnippisch.
    „Ich fürchte, die Nacht hat nicht genug Stunden dafür, Schwester.“

5
    Überfallen von Schmerz und Fassungslosigkeit stand Sara seit Stunden vor dem Gemälde eines Mannes, dessen tiefblaue Augen sie daran hinderten, die vielen Museumsbesucher um sie herum wahrzunehmen. Schmerzhaft krampfte sich Saras wild schlagendes Herz zusammen. Sie beherrschte nur ein Gedanke, der Mann, den sie hätte lieben können, hatte existiert. Doch, wie Sara das Datum auf dem goldenen Rahmen des Gemäldes verriet, lebte sie tausend Jahre zu spät. „Faszinierend, nicht wahr?“
    „Bitte?“ Irritiert blickte Sara zur Seite.
    „Sie haben meine anderen Gemälde mit keinem Blick gewürdigt, junge Frau.“ Vielsagend lächelnd reichte Agnes Sara die Hand.
    „Agnes Demian. Dies ist meine Ausstellung, doch ich muss gestehen, für dieses Wunderwerk bin ich nicht verantwortlich.“
    „Wo haben Sie es her?“, hauchte Sara mit trockener Kehle.
    „Woher es ursprünglich kommt, ist mir nicht bekannt. Ich fand es auf dem Dachboden meiner Großmutter.“ „Würden Sie es mir verkaufen, Agnes?“ Flehend schaute Sara in die Augen der Frau, die die Macht hatte, ihr etwas zu geben, nachdem Sara sich ihr ganzes Leben gesehnt hatte, ein Gesicht, das sie zum Träumen brachte.
    ***
    Aufmerksam und aus sicherer Entfernung hing Julians Blick an den beiden Frauen, die vor seinem Gemälde standen. Julians Herz raste, als er sah, wie es seinen Platz an der Wand verließ. Vor fünfhundert Jahren war es Julian aus seinem Versteck gestohlen worden, genauso lange suchte er fieberhaft danach, war dieses Gemälde doch das einzige Andenken an den Mann, der ihm in der Unterwelt geholfen hatte, erwachsen zu werden, nachdem sein Schöpfer ihn verbannt hatte. Wie oft hatte Julian sich an seine Brüder herangeschlichen und nicht verstanden, warum er nicht bei ihnen leben durfte. James, sein einziger Vertrauter, hatte ihn gezeichnet und ihm erklärt: Deine Brüder sind wie die Nacht und du bist wie ein Tag voller Sonne. Damals dachte Julian, er wäre auserwählt, ein Held zu sein. Heute wusste er, egal wie er aussah, er war auch nur ein Monster, welches die Unterwelt
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