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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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ließ ich die Zugbrücke herab und ging in das Gehege. Bewaffnet hatte ich mich mit einem Bündel Bananen, mit denen ich meinen Rückzug decken wollte, falls ich Minnies Charakter falsch eingeschätzt haben sollte. Ich setzte mich mit den Bananen im Schoß auf den Boden und wartete, daß Minnie den ersten Schritt mache. Noch saß sie in ihrem Baum, beobachtete mich interessiert und schlug mit den großen Händen gedankenvoll auf ihren runden Bauch. Als sie sich endlich dafür entschieden hatte, daß ich wohl harmlos sei, kletterte sie herunter und lief mit langen Schritten auf mich zu. Ungefähr einen Meter vor mir hockte sie sich nieder und hielt mir die Hand hin. Feierlich schüttelte ich sie.
    Dann war die Reihe an mir; ich reichte Minnie eine Banane; sie nahm sie und fraß sie mit zufriedenem Grunzen.
    In einer halben Stunde hatte sie alle Bananen verputzt, und wir waren fast Freunde geworfen, das heißt, wir spielten Kinderspiele, jagten uns um das Gehege herum, in die Hütte hinein und wieder heraus, und kletterten zusammen auf einen Baum. Jetzt hielt ich den Augenblick für gekommen, den Verschlag ins Gehege zu bringen. Wir trugen ihn heran, stellten ihn, den Deckel in Reichweite, auf den Rasen und ließen Minnie Zeit, seine Harmlosigkeit zu erkennen. Die Schwierigkeit bestand darin, Minnie in den Verschlag zu bringen, ohne sie zu verängstigen und ohne dabei von ihr gebissen zu werden. Da sie nie in ihrem Leben in einer Kiste oder in einem Käfig eingesperrt war, fürchtete ich das Schlimmste, vor allem ohne die Hilfe ihres Herrn, der uns mit seiner Autorität unterstützt hätte. Dreieinhalb Stunden versuchte ich, Minnie zu beweisen, daß der Verschlag ungefährlich sei. Ich setzte mich hinein, legte mich hinein, sprang auf ihn hinauf und kroch sogar mit ihm auf dem Rücken herum, wie eine seltsam geformte Schildkröte. Minnie war begeistert über meine Bemühungen, sie zu unterhalten. Doch behandelte sie den Verschlag nach wie vor mit Mißtrauen. Besonders wichtig war, daß ich nur einmal den Versuch machen konnte, sie zu fangen; mißlang es beim ersten Mal, und merkte sie, was ich vorhatte, würden keine Verführungskünste es fertigbringen, sie wieder in die Nähe der Kiste zu bringen. Langsam, aber sicher mußte sie zum Verschlag gelockt werden, damit ich ihn über sie stülpen konnte. Nach weiteren Dreiviertelstunden konzentrierter und ermüdender Anstrengungen hatte ich sie so weit, daß sie vor dem aufgerichteten Verschlag saß und Bananen von drinnen annahm. Dann kam der große Augenblick.
    Als Köder legte ich ein besonders üppiges Bananenbündel in den Verschlag, setzte mich dahinter und aß selbst eine Banane, während ich die Landschaft unbefangen betrachtete, als dächte ich nicht im geringsten daran, Schimpansen zu fangen. Minnie schob sich näher und warf mir verstohlene Blicke zu. Dann setzte sie sich dicht vor den Käfig und fixierte die Bananen mit gierigen Augen. Als ihr ein rascher Blick auf mich zeigte, daß ich mit meiner Banane beschäftigt war, beugte sie sich vor. Kopf und Schultern verschwanden im Verschlag. Ich schleuderte mein Gewicht gegen die Rückseite der Kiste, so daß sie über sie fiel, sprang dann hinauf und setzte mich, damit Minnie den Verschlag nicht hochstieß. Bob eilte mir zur Hilfe und unterstützte mich mit seinem Gewicht. Dann schoben wir unendlich vorsichtig den Deckel unter die Kiste, drehten sie um und nagelten ihn an. Minnie betrachtete mich unterdessen böse durch ein Astloch und rief klagend »Ooo... Oooo... Oooo...«, als sei sie bis ins Innerste von meiner Bosheit angeekelt. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, zündete mir die heiß ersehnte Zigarette an und sah auf die Uhr. Viereinhalb Stunden hatten wir gebraucht, um Minnie in die Kiste zu bekommen, wahrscheinlich hätte es nicht viel länger gedauert, sie wild im Urwald zu fangen. Müde luden wir sie auf den Jeep und nahmen Kurs auf Bafut.
    In Bafut hatten wir für Minnie einen großen Käfig aus Dexion bereitgestellt. Natürlich konnte er sich nicht mit ihrem Gehege messen, war aber so groß, daß sie sich für den Anfang nicht eingesperrt zu fühlen brauchte. Später, auf der Heimfahrt, mußte sie sich mit einem wesentlich kleineren Käfig abfinden. Doch nach der Freiheit, in der sie gelebt hatte, wollte ich sie allmählich an die Gefangenschaft gewöhnen. Als wir sie in den neuen Käfig überführt hatten, untersuchte sie ihn mit zustimmendem Grunzen; sie schlug an die Stäbe und schaukelte
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