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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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längere Zeit in Urlaub gehe und das Tier nicht der unzuverlässigen Obhut seiner Diener anvertrauen möchte. Wir brauchten uns Minnie nur zu holen, wenn wir sie haben wollten. Die Farm des Holländers lag etwa 80 Kilometer weit, in dem Ort Santa. Wir verabredeten, im Jeep des Fon nach Santa zu fahren, uns die Schimpansin anzusehen und sie zu kaufen, wenn sie gesund war. Mit einem großen Verschlag brachen wir eines Morgens von Bafut auf und dachten, wir würden am frühen Nachmittag zurück sein. Um nach Bemenda zu kommen, mußte man das Tal von Bafut verlassen, die große Bemenda-Höhe hinauffahren — ein fast kahles, 100 Meter hohes Kliff — und dann in die Bergkette hinein, die dahinter lag. Die Landschaft lag weiß im schweren Morgennebel. Er wartete, daß ihn die aufgehende Sonne in großen, hängenden Säulen zum Himmel emporzöge und lag wie ein Milchsee friedlich in den Tälern, aus denen nur die Spitzen der Hügel und Anhöhen herausragten wie seltsame Inseln aus einem bleichen Meer. Als wir höherstiegen, fuhren wir langsamer, da der leichte Morgenwind die Nebelschwaden in zarten Böen vor sich herschob, wobei sie hochgewirbelt wurden und sich über den Weg ergossen. Wenn man um eine Ecke fuhr, war man plötzlich mitten in einer Nebelbank und konnte kaum ein paar Meter weit sehen. Als wir durch den Nebel krochen, tauchte plötzlich vor uns etwas auf, das wie ein Paar Elefantenzähne aussah. Wir stoppten mit einem Ruck. Durch den Nebel schimmerte eine Herde langhörniger Fulani-Rinder, die uns dicht umringten und interessiert durch die Scheiben spähten. Die übergroßen Tiere von dunkel-schokoladenbrauner Farbe hatten große, feuchtglänzende Augen und ein ansehnliches weißes Gehörn, das bei einigen eine Spannweite von anderthalb Metern hatte. Sie standen dicht gedrängt um uns herum. In weißen Wolken entströmte ihr warmer Atem den Nüstern, der süßliche Geruch der Tiere hing schwer in der Luft; die Glocke der Leitkuh klingelte fröhlich bei jeder Bewegung. Wir saßen da und bestaunten uns gegenseitig für einige Minuten. Plötzlich hörten wir ein scharfes Pfeifen und einen rauhen Ruf. Der Hirte tauchte aus dem Nebel auf. Er war ein typischer Fulani, groß und schlank, mit edlen, scharf profilierten Gesichtszügen und einer geraden Nase, wie man sie auf griechischen Wandgemälden findet. »Guten Tag, mein Freund!« rief ich.
    »Morgen, Masa«, antwortete er grinsend und klatschte auf die feuchte Flanke einer mächtigen Kuh.
    »Sind dies deine Kühe?«
    »Ja, Sah, sein meine.«
    »Wohin bringst du sie?«
    »Nach Bemenda, Sah, auf den Markt.«
    »Treibe sie weg, damit wir weiterfahren können.«
    »Ja, Sah, ja, Sah, ich sie wegbringen.« Er lachte und mit lauten Zurufen trieb er die Kühe vorwärts, hinein in den Nebel. Dabei tanzte er von einer Seite zur anderen und schlug auf ihre Flanken mit einem Bambusstock einen heiteren Trommelwirbel. Die riesigen Tiere verschwanden im Nebel mit tiefem, zufriedenem Muhen und dem fröhlichen Gebimmel der Leitkuh.
    »Danke, mein Freund. Guten Weg!« rief ich ihm nach.
    Als wir in Santa ankamen, stand die Sonne am Himmel, und die Berge hatten ihre Farbe in Gold-Grün gewechselt. Nur die Abhänge waren noch mit einigen, besonders hartnäckigen Nebelstreifen behängen. Im Hause des Holländers erfuhren wir, er sei unerwartet abgerufen worden. Minnie war jedoch da, und ihretwegen waren wir ja schließlich gekommen. Wie wir sahen, lebte sie in einem großen, runden Gehege, das der Holländer für sie angelegt hatte. Das Ganze war von einer ziemlich hohen Mauer umgeben und einfach, aber wirkungsvoll ausgestattet. Da standen vier abgestorbene Baumriesen, die in Zement gepflanzt waren und ein kleines Holzhaus mit Schwingtür. In dieses Gehege gelangte man mit Hilfe einer Zugbrücke, die über den trockenen Burggraben führte, der Minnies Behausung umgab.
    Minnie war ein stattliches, etwa einen Meter großes Schimpansenweibchen. Sie saß in einem der Bäume und betrachtete uns mit liebenswürdigem, etwas nichtssagendem Ausdruck. Wir beobachteten uns etwa zehn Minuten lang schweigend, und ich versuchte, ihren Charakter abzuschätzen. Der Holländer hatte mir zwar zugesichert, Minnie sei vollkommen zahm, doch hatte ich genügend Erfahrung, um zu wissen, daß selbst der zahmste Schimpanse bösartig werden kann und mit ihm nicht gut Kirschen essen ist, wenn er einen Menschen nicht mag. Minnie war zwar nicht sehr groß, hatte aber einen imponierenden Umfang.
    Schließlich
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