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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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weder Kuh noch Pferd zu sehen. Cholmondeley wurde immer unruhiger und fing schließlich an zu winseln. Ich konnte nicht entdecken, was ihn so aufregte. Dann fing er an zu heulen und hopste wie verrückt auf meinem Schoß auf und ab. Wir bogen um eine Ecke, da lag hundert Meter vor uns die alte Kneipe. Demnach hatte Cholmondeley die Gegend, durch die wir fuhren, wiedererkannt und sie mit seiner Erinnerung an den Spaß, den er damals gehabt hatte, verbunden. Einen solchen Denkprozeß hatte ich bisher bei keinem Tier beobachtet. Meine Schwester und ich waren so verblüfft, daß wir eine Stärkung nötig hatten. So konnte Cholmondeley seine Freundschaft mit der Wirtin erneuern, die sich ebenfalls über das Wiedersehen freute.
    Immer noch kämpfte ich um meinen Zoo. Die Chancen wurden mit jedem Tag geringer. Die Tiere waren inzwischen von J. J. Aliens Warenhaus in den Zoo von Paignton übergesiedelt; denn man hatte mir mit großem Entgegenkommen erlaubt, sie vorübergehend dort unterzubringen, bis ich einen Platz für den eigenen Zoo gefunden hätte. Doch das wurde, wie gesagt, immer unwahrscheinlicher. Es war die alte Geschichte. Zuerst braucht man die Hilfe anderer, dann will niemand helfen. Es bleibt einem nichts anderes übrig, man muß allein fertigwerden. Hat man aber Erfolg gehabt, kommen alle, die erst nicht helfen wollten, klopfen einem auf die Schulter und bieten ihre Hilfe an.
    »Irgendwo muß es doch einen intelligenten Gemeinderat geben«, meinte Jacquie eines Abends. Wir saßen über einer Karte der Britischen Inseln.
    »Daran zweifle ich«, sagte ich düster, »vor allem zweifle ich daran, daß ich noch die Kraft habe, es mit einer weiteren Serie von Bürgermeistern und Stadtschreibern aufzunehmen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, wir müssen selbst Gelände finden und es ganz mit eigenen Kräften versuchen.«
    »Du brauchst aber auf jeden Fall ihre Zustimmung. Es gibt ja schließlich eine Stadtplanung und was sonst noch alles«, meinte Jacquie.
    Mir schauderte. »Am besten, wir suchen uns eine einsame Insel in Westindien oder sonstwo. Dort sind die Menschen wahrscheinlich vernünftiger und kennen keine Bürokratie.«
    Jacquie schob Cholmondeley von dem Fleck der Landkarte, auf dem er gerade hockte.
    »Was meinst du zu den Kanalinseln?« fragte sie.
    »Was soll ich dazu meinen?«
    »Nun, sie sind ein beliebter Ferienaufenthalt und haben ein sehr mildes Klima.«
    »Das stimmt, es wäre ein idealer Platz. Aber wir kennen dort niemanden«, gab ich zu bedenken, »man braucht für solche Angelegenheiten jemanden, der einen berät.«
    »Ja«, gab Jacquie zögernd zu, »wahrscheinlich hast du recht.«
    So legten wir widerstrebend die Kanalinseln zu den Akten, obwohl es mich sehr gereizt hätte, den Zoo auf einer Insel einzurichten. Erst mehrere Wochen später, als ich in London war und mit Rupert Hart-Davis über meinen Zoo sprach, erschien ein Silberstreifen am Horizont. Ich gestand Rupert, die Möglichkeiten für einen eigenen Zoo wären so gering, daß ich drauf und dran sei, den Plan fallenzulassen. Ich sagte auch, daß wir an die Kanalinseln gedacht hätten, dort aber niemand kennen, der uns helfen könnte. Rupert horchte auf. Mit dem Ausdruck eines Zauberers, der ein kleines Kunststück zeigt, sagte er, er habe gute Verbindungen zu den Kanalinseln — warum man ihn denn nicht eher gefragt hätte — er kenne einen Mann, der seit Jahren dort lebe und nur zu gern helfen würde. Es war Major Fraser. Noch am gleichen Abend telefonierte ich mit ihm. Er schien nicht im geringsten etwas dabei zu finden, daß ein völlig Fremder ihn anrief und um Rat bei der Gründung eines Zoos fragte. Das nahm mich sofort für ihn ein. Er schlug vor, Jacquie und ich sollten nach Jersey kommen, er würde uns die Insel zeigen und alle nötigen Ratschläge geben. Wir vereinbarten ein Treffen.
    Wir flogen also nach Jersey. Als die Maschine zur Landung ansetzte, erschien die Insel wie ein Spielzeugkontinent, ein Flickenteppich von winzigen Feldern in einer strahlend blauen See. Eine schöne, zerklüftete Küste war hier und da von glattem Strand unterbrochen, an den das Meer in Bändern schäumte.
    Als wir auf dem Rollfeld standen, schien uns, als sei die Luft wärmer, die Sonne strahlender, und unsere Lebensgeister belebten sich wieder.
    Hugh Fraser erwartete uns auf dem Flugplatz. Er war ein großer, schlanker Mann und trug seinen schmalkrempigen Trilby so weit nach vorn, daß der Rand fast auf seiner Adlernase ruhte. Er
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