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Engel der Schuld Roman

Titel: Engel der Schuld Roman
Autoren: Tami Hoag
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Prolog
    »Zeit zu sterben, Geburtstagsschlampe.«
    Geburtstag. Sechsunddreißig. Der Geburtstag, den Ellen so gefürchtet hatte. Mit einem Mal schien sechsunddreißig viel zu jung.
    Sie stürmte die Treppe hoch, stolperte, als sie sich mit dem Absatz an der Treppenkante verfing. Sie griff hastig nach dem Geländer, ihre Hände rutschten über den rauhen Wandverputz, ein Fingernagel brach ab, Haut schürfte sich von ihren Knöcheln.
    Es gab kaum Licht im Treppenhaus, nur Fetzen von Beleuchtung, die sich aus den Korridoren oben und unten dorthin verirrten. Sicherheitsbeleuchtung, die keinerlei Sicherheit bot. Im Hinterkopf meldete sich eine leise, rauchige Stimme. Ihr Boss sollte dringend mal mit jemandem ü ber Sicherheit reden. Das ist ein h ö chst explosiver Fall. Da k ö nnte alles m ö gliche passieren.
    Sie erreichte den zweiten Stock und bog in den Korridor ein. Wenn sie es die Osttreppe hinunter schaffen würde . . . Wenn sie es bis zu dem Durchgang zwischen den Gebäuden schaffen würde . . . Er würde es nicht wagen, sie im Durchgang anzugreifen, wo das Büro des Sheriffs nur ein paar Meter entfernt war.
    »Jetzt haben wir dich, Schlampe!«
    Es gab Telefone in den Büros, an denen sie vorbeirannte. Die Büros waren abgeschlossen. Ihr selbsternannter Mörder joggte lachend hinter ihr her. Der Klang durchbohrte sie wie eine Lanze, wie die Überzeugung, daß er sie töten würde. Eine Verfolgungsjagd war vielleicht nicht Teil seines Plans gewesen, aber sie war zu einem Teil des Spiels geworden.
    Das Spiel. Dessen Irrsinn fast so beängstigend war wie die Aussicht zu sterben. Das System schlagen. Leben ruinieren. Leben beenden. Nichts Persönliches. Nur ein Spiel.
    Sie rannte an Richter Grabkos Gerichtssaal vorbei und duckte sich hinter die Ecke, die zurück zum südöstlichen Treppenhaus führte.
    Ein Gerüst blockierte das Treppenhaus, schnitt ihr den Fluchtweg ab. Das Gerüst für die Restauratoren. Gütiger Gott, sie würde wegen eines blöden Stuckreliefs sterben.
    »Schachmatt, raffiniertes Luder.«
    Die Nordosttreppe schien meilenweit entfernt. Auf halbem Weg stand das Eisentor, das den Verbindungsweg zwischen dem Gericht und dem Gefängnis blockierte. Sie stürzte zu dem Feuermelder an der Wand, packte das Glasrohr, das zerbrechen und Hilfe herbeirufen würde.
    Das Rohr zerbrach. Nichts. Kein Geräusch. Kein Alarm.
    »O Gott, nein!« Ihre Nägel krallten sich in das nutzlose Brett. Die verfluchten Renovierungsarbeiten. Ein neues Alarmsystem, das eingebaut wurde. Das neueste auf dem Markt.
    »Komm schon, Ellen. Sei ein braves Luder, und laß dich umbringen.« Sie packte den Griff der Tür, hinter der der Feuerwehrschlauch hing, und riß daran.
    »Du mußt sterben, Luder. Wir müssen das Spiel gewinnen.« Seine Hand packte ihren Arm.
    Ihre Finger packten den Schaft der Axt.
     
TAGEBUCHEINTRAG
     
    Sie glauben, sie h ä tten uns in unserem eigenen Spiel geschlagen . Die armen Tr ö pfe .
Jeder Schachmeister wei ß , da ß er auf dem Weg zum Sie g kleinere Niederlagen einstecken mu ß .
    Sie m ö gen vielleicht die Runde gewonnen haben , aber das Spiel ist l ä ngst noch nicht vorbei .
    Sie glauben, sie h ä tten uns geschlagen . Wir l ä cheln und sagen : Willkommen auf der n ä chsten Ebene .

1
    MONTAG, 24 . JANUAR 1994
    »Er hat gesagt, es wäre ein Spiel«, murmelte sie, mit flüsterleiser, schmerzverzerrter Stimme.
    Sie lag in einem Krankenhausbett. Die tiefvioletten Flecken auf ihrem Gesicht standen in scharfem Kontrast zum gebleichten Weiß der Laken und zu ihrer aschfahlen Haut. Ihr rechtes Auge war fast zugeschwollen. Wo man sie gewürgt hatte, umspannten Blutergüsse ihren Hals wie ein violettes Samtband. Eine zarte Linie von Stichen hielt ihre geplatzte Lippe zusammen.
    Der Schmerz löste Erinnerungsblitze aus – plötzlich, heftig, gellend. Die Erinnerung an einen Schmerz, der so scharf, so intensiv war, daß man ihn schmecken und hören konnte. Der Geruch von Angst, die Präsenz des Bösen.
    » Kluges M ä dchen. Du glaubst, wir werden dich t ö ten? Vielleicht. «
    Ihr Hals von H ä nden umspannt, die sie nicht sehen konnte. Der Ü berlebenstrieb brandend, Todesangst ritt auf dem Wellenkamm.
    » Wir k ö nnten dich t ö ten. « Die Stimme ein seidiges Murmeln. » Du w ä rst nicht die erste . . . «
    Luft ballte sich zwei Fäusten gleich in ihren Lungen, sickerte dann langsam durch die Zähne hinaus.
    Die stellvertretende Bezirksstaatsanwältin Ellen North wartete, bis es vorbei war. Sie
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