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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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komme sofort.«
    Ich knallte den Hörer auf. Keinesfalls wollte ich einen blutüberströmten Polizisten vorfinden. Ich schnappte mir ein Taxi und raste ins Stadtzentrum, ohne auf Geschwindigkeitsbegrenzungen zu achten. Wir handelten ja schließlich im Sinne der Polizei.
    Als ich das Taxi bezahlt hatte, stach mir zuerst das Chaos in einem der Schaufenster in die Augen. Das Fenster zeigte sorgfältig angeordnet eine Schlafzimmereinrichtung. Neben dem großaufgeschlagenen Bett stand eine hohe Nachttischlampe; mehrere Daunendecken waren geschmackvoll über den Boden verteilt. So hatte es wenigstens der Dekorateur eingerichtet. Jetzt sah es aus, als habe eine Bombe eingeschlagen. Die Lampe war umgefallen und hatte ein großes Loch in eine Steppdecke gebrannt; die Bezüge waren abgezogen, Kopfkissen und Laken mit großen schwarzen Fußspuren verziert. Auf dem Bett saß Georgina, hüpfte vergnügt darauf herum und schnitt einer aufgeregten Menge von Kirchgängern, die sich vor dem Fenster angesammelt hatten, Grimassen. Ich ging hinein und fand zwei riesige Polizisten hinter einer Barrikade im Anschlag.
    »Ah, Sir, da sind Sie ja«, sagte der eine erleichtert.
    »Wir wollten nicht versuchen, ihn zu fangen, weil er uns nicht kennt; und wir dachten, wir würden es vielleicht noch schlimmer machen.«
    »Ich glaube, schlimmer kann es gar nicht sein«, sagte ich niedergeschlagen. »An und für sich ist sie harmlos, sie macht nur gern Spektakel und sieht böse aus... aber das scheint wirklich nur so.«
    »Wirklich?« meinte einer der Polizisten höflich, aber wenig überzeugt.
    »Ich will versuchen, sie im Fenster zu fangen. Wenn sie mir aber durchgeht, bitte helfen Sie mir. Lassen Sie sie um Himmels willen nicht in die Porzellanabteilung entwischen.«
    »Da ist sie schon gewesen«, sagte einer der Polizisten schwermütig.
    »Hat sie was kaputtgemacht?« fragte ich vorsichtig.
    »Nein, Sir, zum Glück nicht, sie ist nur gerade hindurchgaloppiert. Bill und ich haben sie gejagt, darum blieb sie nicht stehen.«
    »Nun, lassen wir sie nicht zum zweitenmal dahin, es könnte weniger glimpflich abgehen.«
    Inzwischen waren Jacquie und meine Schwester Margo in einem anderen Taxi angekommen. Damit verstärkte sich unsere Streitmacht auf fünf Mann. Ich meinte, wir sollten eigentlich mit Georgina fertigwerden. Die zwei Polizisten, meine Frau und meine Schwester postierte ich an geeigneten Positionen beim Eingang zur Porzellanabteilung. Ich ging zum Schaufenster, in dem Georgina noch immer auf dem Bett herumsprang und dem Publikum Fratzen schnitt. »Georgina!« meine Stimme war ruhig und sanft. »Komm, komm her zu Papa!«
    Überrascht sah Georgina über ihre Schulter. Sie studierte mein Gesicht, als ich auf sie zuging, und fand, daß es meine honigsüße Stimme Lügen strafe. Sie raffte sich auf, sprang durch die Luft über die noch schwelende Daunendecke und griff nach dem großen Wall aus Frottiertüchern, der den Abschluß der Schaufensterauslage bildete. Zu schwach für das Gewicht des großen turnenden Pavians, kippte diese Wand um. Georgina fiel zu Boden, begraben von einer Kaskade prächtig-bunter Handtücher. Sie kämpfte verzweifelt, um sich zu befreien und war gerade soweit, als ich mich auf sie warf, um sie zu ergreifen. Mit einem hysterischen Aufheulen floh sie aus dem Fenster ins Innere des Ladens. Ich wickelte mich nun meinerseits aus den Handtüchern und folgte ihr. Ein durchdringender Schrei meiner Schwester unterrichtete mich über Georginas Aufenthaltsort. Meine Schwester neigt dazu, bei Gefahr wie eine Sirene loszuheulen.
    Georgina war hinter ihr vorbeigeschlüpft. Jetzt hockte sie mit flackernden Augen auf einem Ladentisch und freute sich an dem Spiel. Geschlossen näherten wir uns ihr mit bösen Blicken. Über dem Ende des Ladentisches hing an der Decke eine Weihnachtsdekoration aus Stechpalmen, Rauschgold und Pappsternen. Es sah ungefähr wie ein Lüster aus und schien für Georgina der ideale Gegenstand zum Schaukeln. Siç balancierte zum Ende des Ladentisches, und als wir vorschossen, sprang sie hoch und ergriff die Dekoration, die dem nicht gewachsen war; Georgina purzelte herunter, sprang auf die Füße und rannte mit einem Stechpalmenzweig über dem Ohr davon.
    Die nächste halbe Stunde tobten wir im Warenhaus herum, Georgina immer zum Greifen nahe vor uns. In der Schreibwarenabteilung warf sie einen Stapel Kontobücher um, blieb stehen, um auszuprobieren, ob ein Haufen Spitzendecken eßbar sei und machte einen
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