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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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großen, eindrucksvollen See am Fuß der Haupttreppe. Als den Polizisten die Luft ausging und ich verzweifeln wollte, ob wir das vermaledeite Tier je fangen würden, machte sie einen Fehler. Sie lief leichtfüßig vor uns her und kam zu einem anscheinend idealen Versteck, einer langen Reihe Linoleumrollen, die nebeneinanderstanden. Sie sprang dazwischen und war verloren, denn die Rollen bildeten eine Sackgasse, eine von drei Seiten geschlossene Falle, aus der es kein Entkommen gab. Rasch holten wir auf und blockierten den Eingang der Linoleumfalle. Wütend näherte ich mich Georgina. Sie saß wild schreiend da und bat um Gnade. Als ich vorsprang, um sie zu greifen, duckte sie sich, ich drehte mich um und wollte sie packen, dabei stieß ich an eine der schweren Rollen. Ich konnte es nicht verhindern, daß sie wie ein gigantischer Baumstamm nach vorn kippte und einem Polizisten auf den Helm fiel. Als der arme Mann taumelte und Georgina mich ansah, wußte sie, daß sie Polizeischutz brauchte. Sie stürzte auf den schwankenden Polizisten zu und umschlang seine Beine. Sie sah über ihre Schulter zu mir hin und schrie. Ich sprang vor, ergriff ihre behaarten Beine und die Hautfalten am Genick. So zog ich sie, ohne mich von ihren durchdringenden Schreien stören zu lassen, von den Beinen des Polizisten weg. »Verflucht«, sagte er erleichtert, »ich dachte, mein Stündlein hätte geschlagen.«
    »Sie hätte nicht gebissen. Sie meinte, Sie könnten sie vor mir beschützen.« Ich versuchte, mich gegen Georginas Schreien durchzusetzen.
    »Verflucht«, sagte der Polizist noch einmal. »Gut, das hätten wir überstanden.«
    Wir beförderten Georgina wieder in ihren Käfig, dankten den Polizisten, beseitigten die Unordnung, säuberten und fütterten die Tiere und kehrten dann zu einer wohlverdienten Ruhe nach Hause zurück. Für den Rest des Tages fuhr ich bei jedem Telefonanruf hoch.
    Auch Cholmondeley St. John tat alles, um uns in Atem zu halten. Zunächst einmal richtete er sich im Hause ein und beherrschte bald meine Mutter und Schwester. Dann bekam er einen bösen Husten, der sich zu einer Bronchitis auswuchs und auch, als er sie überstanden hatte, blieb er noch heiser. Darum sollte er wenigstens für den Winter Kleider bekommen. Da er mit uns im Hause lebte, trug er schon Hosen aus Kunststoff und Papierlätzchen und war an Kleider gewöhnt. Als ich verkündet hatte, Chum solle Kleider bekommen, machte sich meine Mutter begeistert an die Arbeit. Ihre Stricknadeln klapperten unablässig, und in Rekordzeit hatte sie für den Affen eine Aussteuer an wollenen Höschen und Pullovern in den leuchtendsten Farben und den ausgefallensten Shetland-Mustern fertig. Von jetzt ab lungerte Cholmondeley St. John auf der Fensterbank des Wohnzimmers herum, jeden Tag in einer anderen Garnitur, aß unbeteiligt einen Apfel und ignorierte die Gruppe neugieriger Kinder vollkommen, die über den vorderen Zaun hingen und ihn neugierig betrachteten.
    Die Haltung der Menschen Cholmondeley gegenüber war für mich äußerst aufschlußreich. Kinder zum Beispiel hielten ihn für nichts anderes als für ein Tier mit einer erstaunlichen Ähnlichkeit zum Menschen, das außerdem die Gabe besaß, sie zum Lachen zu bringen. Die Erwachsenen dachten leider viel weniger intelligent. Mehr als einmal fragten mich die Leute, die nicht einmal dumm waren, ob er sprechen könne. Meine Antwort lautete immer, daß Schimpansen selbstverständlich eine Art Sprache unter sich haben. Das meinten die Fragesteller jedoch nicht; sie wollten wissen, ob er wie ein Mensch spräche, ob er die politische Lage, den Kalten Krieg oder ähnliche aktuelle Probleme diskutieren könne.
    Die erstaunlichste Frage, die mir über Cholmondeley vorgelegt wurde, war die einer mittelalterlichen Dame auf dem Golfplatz von Bournemouth. Bei gutem Wetter nahm ich Chum mit dorthin und ließ ihn in den Tannen herumturnen, während ich auf dem Rasen saß und las oder schrieb. An diesem Tage hatte Cholmondeley eine halbe Stunde lang im Geäst gespielt, dann war es ihm zu langweilig geworden, er kam herunter, setzte sich auf meinen Schoß und versuchte, mich zu veranlassen, ihn zu kraulen. Gerade in diesem Augenblick kam die Dame vorbei. Sie sah Cholmondeley und mich, blieb stehen und betrachtete uns; jedoch nicht mit dem üblichen Erstaunen der Leute, wenn sie einen Schimpansen in einem bunten Shetland-Pullover auf einem Golfplatz sehen. Sie trat näher und fixierte den auf meinem Schoß sitzenden
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