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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola
Autoren: Bill Bryson
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Nach Norden

    Im Winter liegt Hammerfest eine dreißigstündige Busfahrt von Oslo entfernt. Nun stellt man sich natürlich die Frage, warum es im Winter überhaupt jemanden dorthin zieht. Hammerfest ist die nördlichste Stadt Europas und liegt am Rande der Welt, ist so weit von London entfernt, wie London von Tunis, und ein Ort dunkler und brutaler Winter, wo die Sonne im November im Nordpolarmeer versinkt und sich zehn Wochen lang nicht mehr blicken läßt.
    Ich wollte das Nordlicht sehen. Außerdem hatte ich schon lange den unbestimmten Wunsch, zu erfahren, wie die Leute in einer so entlegenen und ungastlichen Gegend leben. Zuhause in England, vor einem Glas Whisky und einem Stapel Landkarten, schien dies eine vortreffliche Idee zu sein. Doch als ich mir nun den Weg durch den grauen, spätdezemberlichen Schneematsch von Oslo bahnte, kamen mir die ersten Zweifel. Der Tag hatte nicht gut angefangen. Ich hatte im Hotel das Frühstück verschlafen und mußte mich in Windeseile in meine Klamotten stürzen. Ich konnte kein Taxi finden, so daß ich meine haarsträubend übergewichtige Tasche acht Häuserblocks durch den Matsch zum Busbahnhof schleppen mußte. Dann hatte ich große Schwierigkeiten, die Angestellten der Kreditkassenbank an der Karl Johans Gate dazu zu bringen, mir genügend Reiseschecks einzulösen, damit ich den Fahrpreis von sage und schreibe 1200 Kronen bezahlen konnte – sie wollten einfach nicht begreifen, daß es sich bei dem William McGuire Bryson in meinem Paß und dem Bill Bryson auf meinen Reiseschecks um ein und dieselbe Person, nämlich um mich, handelte –, und nun kam ich zwei Minuten vor der Abfahrt des Busses am Bahnhof an, atemlos und schwitzend von der endlosen Mühsal, die mein Schicksal ist, und das Fräulein am Fahrkartenschalter teilte mir mit, daß für mich keine Reservierung vorläge.
    »Das ist alles nur ein böser Traum«, sagte ich. »Ich bin noch zu Hause in England und genieße Weihnachten. Reichst du mir den Portwein, Schatz?« Tatsächlich sagte ich: »Da muß ein Fehler vorliegen. Sehen Sie bitte noch einmal nach.«
    Sie studierte die Passagierliste. »Nein, Mr. Bryson, Ihr Name ist nicht dabei.«
    Aber ich konnte ihn doch sehen, sogar verkehrt herum.
    »Da steht er doch, der zweite von unten.«
    »Nein«, entschied das Mädchen, »da steht Bernt Bjørnson. Das ist ein norwegischer Name.«
    »Da steht nicht Bernt Bjørnson. Da steht Bill Bryson. Sehen Sie sich doch die Schleife am y an und die beiden l’s. Fräulein, bitte.« Aber sie wollte es nicht begreifen.
    »Wenn ich diesen Bus verpasse, wann fährt der nächste?«
    »Nächste Woche um dieselbe Zeit.«
    Na, fabelhaft.
    »Fräulein, glauben Sie mir, da steht Bill Bryson.«
    »Nein, das steht da nicht.«
    »Hören Sie, ich komme aus England. Ich bringe ein Medikament, das einem Kind das Leben retten kann.« Das kaufte sie mir nicht ab.
    »Ich möchte mit dem Abteilungsleiter sprechen.«
    »Der ist in Stavanger.«
    »Mein liebes Fräulein, ich habe telefonisch reserviert.

    Wenn dieser Bus ohne mich abfährt, werde ich Ihrem Abteilungsleiter einen Brief schreiben, der für den Rest dieses Jahrhunderts einen Schatten auf Ihre berufliche Laufbahn werfen wird.« Davon ließ sie sich offensichtlich nicht beeindrucken. Dann kam mir eine Idee. »Wenn dieser Bernt Bjørnson nicht auftaucht, bekomme ich dann seinen Platz?«
    »Sicher.«
    Warum komme ich nicht gleich auf so was und erspare mir den ganzen Ärger? »Danke«, sagte ich und zerrte meine Tasche nach draußen.

    Dort wartete ein großer Doppeldeckerbus, ähnlich einem amerikanischen Greyhound, doch nur die vordere Hälfte des oberen Teils war mit Sitzplätzen und Fenstern ausgestattet. Der Rest lag hinter einer Aluminiumwand verborgen, die sich wie der Einband eines billigen Science-fiction-Romans mit dem psychedelischen Bildnis einer intergalaktischen Landschaft schmückte. Auf dem Schweif eines Kometen prangten die Worte EXPRESS 2000. Für einen schwindelerregenden Augenblick glaubte ich, der fensterlose hintere Teil beherberge eine Art Schlafsaal, in den uns zur Schlafenszeit eine Stewardeß geleiten würde, um uns aufzufordern, es uns dort bequem zu machen. Ich war bereit, jeden Betrag für diese Annehmlichkeit zu zahlen. Aber ich hatte mich geirrt. Der hintere Teil und der gesamte Bereich unter uns war mit Frachtgut gefüllt. Der Express 2000 war nichts anderes als ein Lkw mit ein paar Fahrgästen. Auf die Minute um 12.00 Uhr mittags fuhren wir ab. Mir wurde
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