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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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Glas. Auf dem Weg unterhalb des Gästehauses sang eine Gruppe Kinder des Fon ein trauriges Lied, das ich bisher nie gehört hatte. Schnell holte ich mein Aufnahmegerät. Gerade als ich es eingestellt hatte, hörten die Kinder auf. Interessiert beobachtete der Fon meine Vorkehrungen.
    »Bekommst du Nigeria mit dieser Maschine?« fragte er.
    »Nein, mit diesem Gerät mache ich Aufnahmen, es ist kein Radio.«
    »Ach so«, sagte der Fon. Er hatte begriffen.
    »Wenn deine Kinder heraufkommen und dieses Lied noch einmal singen, zeige ich dir, wie die Maschine arbeitet«, sagte ich.
    »Ja, ja, fein.« Der Fon rief eine seiner Frauen, die draußen auf der dunklen Veranda stand. Sie eilte die Treppen hinunter und trieb bald darauf eine kleine Schar schüchterner, kichernder Kinder vor sich her. Ich stellte sie um das Mikrofon herum auf und sah dann, den Finger am Schaltknopf, den Fon an.
    »Wenn sie jetzt singen, mache ich eine Aufnahme«, sagte ich. Der Fon erhob sich majestätisch, wie ein Turm überragte er die Kinder.
    »Singen!« kommandierte er und schwenkte das Whiskyglas. Eingeschüchtert begannen die Kinder mit falschen Einsätzen. Allmählich wuchs ihr Selbstvertrauen, und schließlich sangen sie fröhlich darauf los. Der Fon schlug mit dem Whiskyglas den Takt und schunkelte nach der Melodie. Hin und wieder brüllte er einige Takte zusammen mit den Kindern. Als das Lied zu Ende war, lachte er strahlend zu seiner Nachkommenschaft hinunter.
    »Fein, fein. Trinkt!« Der Reihe nach goß er jedem Kind ein paar Tropfen puren Whisky in die rosa Handfläche. Unterdessen ließ ich das Band laufen, um es dem Fon vorzuspielen. Ich gab ihm die Kopfhörer, erklärte ihm, wie er sie aufsetzen sollte, und schaltete ein.
    Es machte mir Spaß, zu beobachten, wie sich die verschiedenen Eindrücke auf dem Gesicht des Fon widerspiegelten; zuerst der Ausdruck völligen Unglaubens. Er nahm die Hörer ab und betrachtete sie mißtrauisch. Dann setzte er sie wieder auf und lauschte überwältigt. Allmählich breitete sich ein schelmisches Lächeln über das ganze Gesicht.
    »Wah, wah, wah!« flüsterte er hingerissen, »wundervoll.« Nur sehr zögernd nahm er die Hörer ab, damit auch seine Frauen und die Räte die Aufnahme hören konnten. Die Luft war voll von entzückten Ausrufen und Fingerschnappen. Der Fon bestand darauf, zusammen mit den Kindern noch drei Lieder zu singen. Jedesmal beim Abhören war seine Freude unvermindert.
    »Diese Maschine ist großartig«, sagte er schließlich, nippte an seinem Whisky und betrachtete das Aufnahmegerät. »Kann man diese Maschine in Kamerun kaufen?«
    »Nein, hier bekommt man sie nicht. Vielleicht in Nigeria, vielleicht in Lagos.«
    »Wah! Wundervoll«, wiederholte er verträumt.
    »Wenn ich zu Hause bin, mache ich eine Schallplatte von den Liedern. Ich schicke sie dir und du kannst sie auf deinem Grammofon spielen«, sagte ich.
    Nach einer Stunde ging er. Er umarmte mich freundschaftlich und versicherte, er würde uns morgen bei der Abfahrt Lebewohl sagen. Wir waren gerade in Begriff, früh ins Bett zu gehen, da wir einen anstrengenden Tag vor uns hatten, als ich leise Fußtritte und dann Händeklatschen auf der Veranda hörte. Von der Tür aus sah ich Foka, den ältesten Sohn des Fon, der seinem Vater außergewöhnlich ähnelte.
    »Hallo, Foka, guten Abend, komm herein.«
    Mit einem Bündel unter dem Arm kam er näher und lächelte schüchtern.
    »Der Fon schickt dir dies«, sagte er und gab mir das Bündel. Überrascht wickelte ich es aus. Zum Vorschein kamen ein geschnitzter Bambusstock, eine kleine, reichbestickte Kappe und ein schwarz-gelbes Gewand mit kunstvoll besticktem Kragen.
    »Das sein Kleider von Fon. Er sie dir schicken. Der Fon dir sagen, du sein zweiter Fon von Bafut«, erklärte Foka.
    »Wah«, rief ich aus, ehrlich gerührt, »das sind feine Sachen, die dein Vater für mich tut.«
    Foka war begeistert über meine offenkundige Freude.
    »Wo ist dein Vater jetzt? Ist er im Bett?« fragte ich.
    »Nein Sah, er sein in Tanzhaus.«
    Ich warf das Gewand über, zog die Ärmel zurecht, setzte die bestickte kleine Kappe auf, nahm den Stock und eine Flasche Whisky und fragte Foka: »Sehe ich gut aus?«
    »Fein, Sah, fein.« Er strahlte.
    »Gut, dann bringe mich zu deinem Vater.«
    Er führte mich quer über den großen, verlassenen Hof, durch das Labyrinth von Hütten zum Tanzhaus, aus dem uns das Dröhnen der Trommeln und das Pfeifen der Flöten entgegenklang. Als ich eingetreten war,
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