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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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Zeit zu Zeit zum Luftholen an die Oberfläche schießen. Aus irgendeinem Grund jedoch, den ich nie herausfand, hatte Bob eine Schwäche für diese abscheulichen Lebewesen. Wir besaßen zweihundertfünfzig davon, die wir in einer Plastikwanne auf der Veranda hielten. Wenn wir Bob suchten, konnten wir sicher sein, ihn über den großen »Kessel« mit zuckenden Kröten gebeugt zu finden, ein glückliches Lächeln auf dem Gesicht. Dann kam der Tag der großen Tragödie. Die Regenzeit hatte gerade begonnen, und der strahlende Sonnenschein wurde täglich von schweren Regengüssen unterbrochen. Sie dauerten kaum länger als eine Stunde, brachten aber in dieser kurzen Zeit erhebliche Wassermengen. An dem Morgen, von dem hier die Rede ist, hatte Bob bei den Kröten gehockt und angenommen, sie wären ihm dankbar, wenn er sie in den Regen stelle. Vorsichtig trug er die Wanne hinaus und stellte sie auf die oberste Treppenstufe. An diesem günstigen Platz bekamen sie nicht nur den Regen vom Himmel, sondern auch den, der vom Dach strömte. Dann ging er fort und vergaß sie. Der Regen fiel mit einer Stärke, als wolle er den Ruf Kameruns als eines der feuchtesten Länder der Erde bestätigen. Allmählich füllte sich die Wanne. Mit steigendem Wasserspiegel kamen auch die Kröten hoch, bis sie über den Rand sehen konnten. In den nächsten zehn Minuten spülte sie der Regen aus der Wanne, ob sie nun wollten oder nicht. Bobs hallender Schreckensruf ließ uns von allen Seiten herbeieilen. Auf der obersten Stufe stand die Plastikwanne, in der kein einziges Tier mehr war. Das Wasser schoß die Treppen hinunter und riß Bobs wertvolle Amphibien mit sich. Die Stufen wimmelten von Kröten. Sie glitten, platschten und rollten im Wasser herum. In diesem Niagarafall von Kröten sprang Bob mit wilden Blicken wie ein aufgeregter Reiher umher und sammelte die Tiere, so schnell er konnte, ein. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß es ein ziemliches Kunststück ist, einen Krallenfrosch zu greifen. Es ist fast so schwer, als wolle man einen Tropfen Quecksilber aufheben. Sie sind nicht nur unglaublich glitschig, sondern auch sehr kräftig für ihre Größe, und sie winden sich und strampeln mit erstaunlicher Energie. Zudem sind die Hinterleiber mit einer kleinen, scharfen Kralle bewaffnet; damit können sie einen empfindlich verwunden. Bob, der abwechselnd fluchte und schrie, war nicht eben in der ruhigen, gesammelten Verfassung, die zum Krallenfroschfangen gehört. Wenn er eine Handvoll erwischt hatte und die Stufen hinaufstürzte, um sie in die Wanne zu werfen, glitten sie ihm aus den Fingern, fielen auf die Treppe zurück und wurden sofort wieder hinuntergespült. Schließlich brauchten wir zu fünft dreiviertel Stunden, um alle Kröten einzusammeln und in die Wanne zu werfen. Gerade als wir fertig und bis auf die Haut durchnäßt waren, hörte es auf zu regnen.
    »Wenn du zweihundertfünfzig Lebewesen freilassen willst, suche dir bitte in Zukunft gutes Wetter dafür aus und ein Tier, das man leichter fangen kann«, sagte ich wütend zu Bob. »Ich weiß selbst nicht, wie ich so blöd sein konnte«, antwortete er und starrte traurig in die Wanne, in der die Tiere, erschöpft nach dieser Toberei, wie aufgehängt im Wasser trieben und ihn leer anglotzten.
    »Ich hoffe nur, ihnen ist nichts passiert!«
    »Um uns brauchst du dir keine Sorgen zu machen; wir können ruhig eine Lungenentzündung bekommen, wenn nur diese abstoßenden kleinen Teufel sich nicht erkältet haben. Willst du nicht lieber bei ihnen messen?«
    Bob runzelte die Stirn und beachtete meinen Spott nicht. »Ich fürchte, es sind eine ganze Menge verlorengegangen... es scheinen lange nicht mehr so viel zu sein wie vorher.«
    »Denke nicht, daß ich bereit bin, dir zählen zu helfen. Ich habe für mein ganzes Leben genügend Krötenkratzer. Komm, zieh dich um und laß sie, wo sie sind. Wenn du sie zählst, geht dir über kurz oder lang die ganze Gesellschaft über Bord.«
    »Wahrscheinlich hast du recht.« Bob seufzte.
    Eine halbe Stunde später ließ ich Cholmondeley St. John für seine Morgengymnastik aus dem Käfig und achtete dummerweise zehn Minuten lang nicht auf ihn. In dem Augenblick, als ich Bobs gellenden Schrei hörte (den Schrei eines Menschen, der am Zusammenbrechen ist) und Cholmondeley St. John nicht entdeckte, wußte ich, daß er der Grund für Bobs Totenklage war. Ich eilte auf die Veranda und fand dort Bob, der verzweifelt die Hände rang, und Cholmondeley, der auf der
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