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Ackermann tanzt

Titel: Ackermann tanzt
Autoren: Hiltrud Leenders
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    »Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner. Das ist mein Motto.« Polizeiobermeister Schumacher ruckte kurz an dem frisch angenähten Uniformknopf und biss dann den Faden ab. »Hier, bitte schön, hab ich mir ganz allein beigebracht.«
    Sein Kollege Schuster nahm die Jacke in die Hand und begutachtete das Ergebnis.
    »Bisschen stoppelig«, meinte er schließlich. »Das kriegt Claudia besser hin.«
    »Die näht dir deine Knöpfe an?« Schumacher runzelte die Stirn. »Tja, nicht jede Frau ist ein solches Schaf.«
    »Was soll das denn heißen?«, brauste Schuster auf, stutzte dann aber. »Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?«
    Schumacher wich dem neugierigen Blick aus, stand auf und schlüpfte in die Uniformjacke, aber Schuster ließ nicht locker: »Sag bloß, du hast dir jetzt doch ein Landei angelacht!«
    Flintrop, der heute Nacht Dienst auf der Wache hatte, half Schumacher aus der Klemme.
    »Kommt endlich in die Pötte!«, rief er herüber. »Ihr wisst genau, dass die Chefin mehr Präsenz in der Innenstadt haben will.«
    »Nun mach mal halblang«, brummelte Schuster, griff aber nach seiner Mütze.
    »Bei diesem Wetter trauen sich nicht mal die Ganoven vor die Tür«, rief er zurück. »Scheißprovinz, Scheißregenloch!«
    Schumacher und Schuster waren vor fast zwei Jahren nach Kleve versetzt worden, aber sie hatten sich immer noch nicht so recht damit abgefunden.
    Flintrop steckte den Kopf zur Tür herein und grinste.
    »Meinst du, bei euch in Düsseldorf hättet ihr besseres Wetter? Diesen Sommer säuft doch ganz Europa ab.«
    Das Telefon vorn an der Wache unterbrach ihn.
    Schuster seufzte tief und klopfte seinem Kollegen auf die Schulter. »Dann lass uns mal los. Ich bin schon gespannt auf deine heiße Liebesgeschichte.«
    Flintrop hatte den Telefonhörer am Ohr und lauschte. Mit einer Handbewegung hielt er die beiden zurück. »Moment«, formte er lautlos mit den Lippen.
    »Wo?«, fragte er dann in den Hörer. »Ja, verstanden. Ihren Namen hätte ich – aufgelegt! Teufel, noch mal, das scheint in Mode zu kommen.« Er drehte sich zu den anderen um.
    »Ein anonymer Tipp. Angeblich sind ein paar Typen dabei, einen Zigarettenautomaten zu knacken. Königsallee, Ecke Merowingerstraße.«

    Es goss in Strömen und die Wolkendecke war so dick, dass es schon jetzt um kurz vor zehn stockfinster war. Die Stadt wirkte wie leer gefegt, auch auf der Merowingerstraße war kein Mensch unterwegs. Die beiden Zigarettenautomaten an der Eckkneipe, die schon seit Monaten geschlossen war, hingen einsam und unversehrt an der Wand.
    »Und jetzt?«, fragte Schumacher.
    »Wir stellen den Wagen an der Welbershöhe ab und gehen von da aus zu Fuß zurück«, entschied Schuster. »Möglich, dass die abgetaucht sind, als sie unsere Mühle gesehen haben.«
    »Hätte ich bloß auf meine Mutter gehört und was Anständiges gelernt, dann säße ich jetzt schön warm im Trockenen«, murrte Schumacher, als sie ein paar Minuten später langsam im Schatten der Friedhofsmauer zur Königsallee zurückgingen.
    Auf der Straße war immer noch keiner zu sehen, nur auf dem Bolzplatz links spielten ein paar Kinder.
    »Tss«, murmelte Schumacher, »um diese Zeit! Dass die Eltern denen das erlauben.«
    »Den Eltern ist es wahrscheinlich schnurz, wo ihre Kids rumhängen. Ist ja nicht gerade die feinste Wohngegend hier.«
    Schumacher zögerte plötzlich. »Warte mal.« Auch Schuster blieb stehen.
    Die beiden Jungen, die gerade noch am Klettergerüst gehangelt hatten, kamen jetzt zur Straße hoch, schauten sich vorsichtig um und wandten sich Richtung Königsallee. Sie gingen ganz dicht an den Häusern entlang, aber für einen kurzen Augenblick konnte man ihre Gesichter im trüben Schein der Straßenlaterne sehen.
    »Schau mal einer an«, flüsterte Schuster. »Kennen wir die nicht? Na, dann wollen wir doch mal gucken, was die beiden Früchtchen diesmal vorhaben.«

    Kriminalkommissar van Appeldorn schloss die Bürotür ab, verstaute den dicken Schlüsselbund in der Hosentasche und ging zur Treppe. Zu dieser nächtlichen Stunde, im kalten Neonlicht, wirkten die Sichtbetonwände und der mausgraue Teppichboden besonders anheimelnd. Das neue Präsidium war eine Mogelpackung. Die Außenfassade mit ihren gelben Akzenten wirkte einladend und freundlich, einmal drinnen wurde man von funktionalem Grau verschluckt.
    Müde war er und genervt, und als er jetzt auf die Uhr sah, musste er feststellen, dass er den bitteren Geschmack in seinem Mund nicht einmal mit einem
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