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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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EIN WORT ZUVOR

    Meine Frau und ich verbrachten sechs Monate in Bafut, einem Berggrasland in Britisch-Kamerun, und zwar aus einem etwas ungewöhnlichen Grund: wir wollten nämlich nichts anderes als Tiere für einen eigenen Zoo fangen. Dieses Buch ist die Geschichte unserer Fahrt und unserer Erlebnisse.
    Seit Kriegsende habe ich Expechtionen in alle Welt finanziert und organisiert, um Tiere für verschiedene zoologische Gärten zu fangen. Immer wieder konnte ich dabei erfahren, wie schwer und niederdrückend das Ende einer solchen Expechtion ist, wenn man sich von den Tieren, die man monatelang mit Liebe und Sorgfalt gepflegt hat, trennen muß. Ist man einem Tier sechs Monate lang Vater, Mutter, Ernährer und Beschützer, so entwickelt sich im Laufe dieser Zeit eine herzliche Freundschaft. Allmählich vertraut das Tier dem Menschen und, was vielleicht noch wichtiger ist, es benimmt sich ihm gegenüber ganz natürlich. Wenn nun das Zusammenleben gerade Früchte zu tragen beginnt, wenn beinahe einzigartige Bedingungen gegeben sind, die Gewohnheiten und das Verhalten der Tiere kennenzulernen, wird man gezwungen, sich von ihnen zu trennen. Für dieses Problem gab es, wenigstens für mich, nur eine Lösung: der eigene zoologische Garten. Da konnte ich meine Tiere behalten, und ich wußte, welche Käfige sie bewohnten, wie man sie behandelte und fütterte. Ein solcher Zoo würde selbstverständlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und auf diese Weise für mich ein Laboratorium sein, das sich selbst finanzierte, und in dem ich meine Tiere nach Herzenslust beobachten konnte. Für die Gründung eines eigenen zoologischen Gartens gab es noch einen zweiten und für mich wichtigeren Grund. Wie so viele andere Menschen bin ich darüber beunruhigt, daß Jahr für Jahr überall auf der Welt Tierarten in ihrer natürlichen Umgebung ausgerottet werden. Daran ist zumeist mittelbar oder unmittelbar der Mensch schuld. Obwohl namhafte und erfolgreiche Gesellschaften mit der Lösung dieses Problems beschäftigt sind, erstreckt sich ihre Fürsorge leider nicht auf die Unzahl kleiner, für Handel oder Tourismus weniger wertvoller Tiere. Für mich ist das Ausrotten einer Tierart ein ähnliches Verbrechen wie die Zerstörung eines unersetzlichen Kunstwerks. Ich bin der Meinung, daß es Hauptaufgabe der zoologischen Gärten sein sollte, besondere Stätten zur Aufzucht solcher seltenen, gefährdeten Arten einzurichten. Wenn dann eine Tierart in ihrer natürlichen Umgebung ausstirbt, bleibt sie uns wenigstens auf diese Weise erhalten.
    Seit langem hatte ich die Absicht, diesen Zoo zu schaffen und wollte jetzt den Plan in die Wirklichkeit umsetzen. Jeder, der von einer solchen Idee besessen ist, hätte wahrscheinlich zunächst für ein passendes Gehege gesorgt und wäre dann auf Tierfang gegangen. Selten habe ich jedoch in meinem Leben einen Plan in der üblichen logischen Reihenfolge verwirklicht. So machte ich mich auch jetzt zuerst daran, die Tiere zu fangen und ging erst dann an die Lösung der Aufgabe, einen Zoo zu finden. Das war gar nicht so einfach, wie ich es mir gedacht hatte. Und wenn ich daran zurückdenke, bin ich noch heute ganz sprachlos über die Kühnheit, mit der ich diesen umgekehrten Weg beschritt.
    Hier ist also die Geschichte meiner Suche nach einem Zoo, und sie erklärt zugleich, warum ich lange Zeit meine Tiere in Koffern herumtragen mußte.

DURCH BOTEN

    Von meinem Platz auf der von Bougainvillea umrankten Veranda konnte ich die blaue, glitzernde Fläche der Viktoria-Bucht überschauen. Diese Bucht ist mit unzähligen kleinen, bewaldeten Inseln übersät, wie grüne Pelzhütchen anzu-sshen, die willkürlich auf das Wasser gefallen sind. Zwei große Papageien flogen eilig vorüber. Sie neckten sich gegenseitig und kreischten laut und verführerisch ihr »cooo-ee« in den leuchtend-blauen Himmel hinein. Eine Schar winziger Kanus flitzte wie ein Schwarm dunkler Fische zwischen den Inseln hin und her. Das Geschrei und Geschwätz der Fischer klang gedämpft zu mir herüber. Über mir, in den hohen Palmen, die das Haus beschatteten, lärmte eine Kolonie Webervögel, die eifrig damit beschäftigt waren, Palmwedel für den Bau ihrer korbförmigen Nester abzureißen. Hinter dem Haus, dort wo der Wald anfing, stieß ein Tinker-Vogel seinen monotonen Schrei aus: toink... toink... toink... Es hörte sich an wie unaufhörliche Schläge auf einen winzigen Amboß. Der Schweiß rann mir den Rücken hinab und durchtränkte
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