Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
Vom Netzwerk:
sich zielbewußt mit jetzt randvollem Krug auf dem Kopf ans Ufer. Dort schob er den Krug vorsichtig auf ein Felssims. Ohne den Sarong auszuziehen, ging er ins Wasser zurück. Aus irgendeiner Falte des Gewandes brachte er ein Stückchen Seife zum Vorschein, mit dem er sich und den Sarong gleichmäßig einseifte. Als er von Kopf bis Fuß so voller Schaum war, daß er wie ein rosa Schneemann aussah, tauchte er unter. Sauber und blank watete er ans Ufer zurück, hob den Krug auf den Kopf, kletterte langsam die Klippe hinauf und verschwand. Das war ein vollendetes Beispiel afrikanischer Anwendung der Rationalisierungstheorie.
    Inzwischen war die Fähre zurückgekommen. Ben und Agustine verhandelten aufgeregt mit dem alten Besitzer. Er sollte uns nicht geradewegs ans andere Ufer bringen, sondern etwa 800 Meter stromaufwärts zu einer großen Sandbank. Hierdurch würden wir fast eine Meile Weg am Flußufer entlang sparen. Der alte Mann schien damit ganz und gar nicht einverstanden
    »Was ist mit ihm los, Ben?« fragte ich.
    »Eh! Dies sein dummer Mann«, sagte Ben und drehte sich ärgerlich zu mir um, »er nicht wollen stromauf fahren.«
    »Warum willst du nicht, mein Freund?« fragte ich den alten Mann, »wenn du uns fahren, ich dir zahlen mehr Geld und...«
    »Masa«, sagte der alte Mann entschieden, »dies sein mein Boot. Wenn ich verlieren, ich machen kein Geld mehr... ich nicht kriegen Fleisch für Bauch... ich nicht kriegen ein-ein Penny!«
    »Aber, warum Boot verlieren?« fragte ich erstaunt. Ich kannte die Flußstrecke; es gab keine Stromschnellen und keine Strudel.
    »Ipopo, Masa«, erklärte der Alte.
    Ich starrte ihn an, um zu erraten, was um die Welt er wohl meinen könne. War Ipopo vielleicht ein mächtiger Fetisch in der Gegend, von dem ich bisher nichts gehört hatte?
    »Dieser Ipopo«, fragte ich vorsichtig, »wo lebt er?«
    »Wah! Masa ihn nie gesehen?« fragte der alte Mann erstaunt. »Er da in Wasser gleich bei D. O’s Haus. Er groß wie Auto... er gefährlich... er haben zu viel Kraft.«
    »Wovon spricht er eigentlich?« fragte Bob neugierig. Plötzlich ging mir ein Licht auf. »Er redet von der Flußpferdherde unterhalb vom Haus des Distriktsbeamten. Aber diese Abkürzung ist so einzigartig, daß sie mich für einen Augenblick genarrt hat.«
    »Hält er sie für gefährlich?«
    »Anscheinend ja. Ich weiß nur noch nicht, warum. Sie waren ganz harmlos, als ich das letzte Mal hier war.«
    »Nun, ich hoffe, sie sind immer noch harmlos«, meinte Bob. Ich wandte mich wieder zu dem Alten. »Höre, mein Freund, wenn du uns dieses Wasser hinaufbringen wirst, will ich dir sechs Schilling und obendrein Zigaretten geben. Und wenn dieses Ipopo dein Boot kaputtmacht, kaufe ich dir ein neues, hörst du?«
    »Ich hören, Sah.«
    »Einverstanden?«
    »Ich einverstanden, Sah«, sagte der Alte, in dem Habgier und Vorsicht miteinander kämpften. Wir hockten im Kanu, in dem das Wasser einige Zentimeter hoch stand, und fuhren langsam stromauf.
    »Ich glaube nicht, daß sie wirklich gefährlich sind«, sagte Bob beiläufig und zog die Hand nachlässig durchs Wasser. »Das letzte Mal bin ich öfter bis auf zehn Meter an sie herangefahren, um Aufnahmen zu machen«, sagte ich.
    »Diese Ipopo haben starken Kopf, Sah«, sagte Ben brutal. »Zwei Monate früher sie töten drei Mann und brechen zwei Boote.«
    »Eine sehr beruhigende Tatsache«, sagte Bob.
    Vor uns war das braune Wasser an vielen Stellen von Felsen durchbrochen. Zu jeder anderen Zeit hätten sie genau wie gewöhnliche Felsen ausgesehen, doch heute glich jeder einzelne dem Kopf eines Flußpferdes, eines hinterlistigen, tollen Flußpferdes, das in den dunklen Fluten auf uns lauerte. Ben, der sich vermutlich an seine waghalsige Geschichte mit der Buschkuh erinnerte, versuchte zu pfeifen. Doch es blieb bei einem schwachen Versuch, und ich beobachtete, wie er aufmerksam und ängstlich das Wasser vor uns absuchte. Schließlich bekommt ein Flußpferd, das sich angewöhnt hatte, Kanus anzugreifen, Geschmack an der Sache, und es wird sich alles mögliche ausdenken, um einen zu ärgern, und sei es nur aus Spaß. Ich hingegen hatte keine Lust, mit sadistischen Flußpferden von einer halben Tonne Gewicht in fünf Meter tiefem Dreckwasser herumzuturnen.
    Ich beobachtete, daß der Alte unser Fahrzeug nahe am Ufer hielt und so manövrierte, daß wir immer in ziemlich seichtem Wasser fuhren. Das Kliff am Ufer war steil, bot jedoch überall Halt für den Fall einer Gefahr. Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher