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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom
Autoren: Val McDermid
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hatte er darauf bestanden, dass sie entlassen und in seine Obhut gegeben wurde. Sie hatte nicht die Kraft gehabt, dagegen anzugehen. Ein Wagen wartete schon, der sie zum Flughafen fuhr, und ein Privatflugzeug brachte sie nach Den Haag.
    Dann hatte er sie vierundzwanzig Stunden in einem ruhigen Zimmer im Europol-Komplex allein gelassen. Die Ruhe wurde nur durch eine Gott sei Dank wenig mitteilsame Ärztin unterbrochen, die regelmäßig überprüfte, ob sie eine Gehirnerschütterung hatte. Am folgenden Morgen war Gandle erschienen und sagte ihr, Morgan erwarte sie. Sie verlangte Zeit zum Duschen und Anziehen und ging dann in das Besprechungszimmer.
    Morgan war lächelnd aufgestanden. »Carol, wie fühlen Sie sich? Ich kann Ihnen nicht sagen, wie Leid es mir tut, dass es so gekommen ist.«
    Sie ignorierte seine ausgestreckte Hand, setzte sich ihm gegenüber und schwieg.
    »Mir ist klar, dass Sie sich schrecklich fühlen müssen. Aber Sie sollen wissen, dass Ihnen jede Hilfe zur Verfügung steht, die Sie brauchen. Wir haben Gesprächstermine mit einem psychologischen Berater für Sie arrangiert, und Sie müssen uns immer sagen, wenn diese Nachbesprechungen Sie ermüden, damit wir eine Pause machen können.« Morgan setzte sich, durch ihre augenscheinliche Unhöflichkeit nicht im Mindesten aus der Fassung gebracht.
    Carol schwieg weiter und blickte ihn mit ihren grauen Augen zwischen den blauen Flecken kühl und unverwandt an. Sollte er doch die Vorwürfe von ihrem Gesicht ablesen, dachte sie.
    »Wir müssen Ihre Berichte in allen Einzelheiten durchgehen. Aber vorher müssen wir Sie leider danach fragen, was am Schluss zwischen Ihnen und Radecki passiert ist. Geht das in Ordnung?«
    Carol schüttelte den Kopf. »Zuerst habe ich ein paar Fragen.«
    Morgan sah überrascht aus. »Na, dann schießen Sie los, Carol.«
    »Waren Sie verantwortlich für den Mord an Katerina Basler?«
    Morgans Augen weiteten sich, obwohl der Rest seines Gesichts unbeweglich blieb. »Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen«, sagte er.
    »Das Motorrad, das den Unfall verursachte, bei dem Katerina umkam, war auf den britischen National Crime Squad zugelassen«, sagte Carol mit tonloser Stimme. »Radecki weiß das. Die Vermutung, dass Sie hinter ihrem Tod steckten, liegt dann nicht gerade fern.«
    Morgan versuchte ein nachsichtiges Lächeln. »Das hat alles nichts mit dem zu tun, was letzte Nacht passiert ist. Warum konzentrieren wir uns also nicht einfach darauf?«
    »Sie kapieren es wohl nicht, was? Ich sage kein Wort mehr, bis Sie meine Fragen beantwortet haben. Und wenn Sie sie nicht beantworten, werde ich weiterfragen, bis ich jemanden finde, der mir Antwort gibt.«
    Morgan erkannte, dass er hier auf knallharte Beharrlichkeit gestoßen war. »Radecki war ein Geschwür, das sich in ganz Europa ausbreitete. Wenn man einen Krebs findet, schneidet man ihn heraus. Und manchmal heißt das, auch gesundes Gewebe mit herauszuschneiden.«
    »Sie haben also Katerina getötet?«
    »Katerina war ein Kollateralschaden. Für das Wohl der Allgemeinheit«, sagte Morgan vorsichtig.
    »Und was ist mit Colin Osborne? War er auch ein Kollateralschaden?«
    Morgan schüttelte den Kopf. »Osborne war kein Unschuldslamm. Wer sich zu den Hunden legt, steht mit Flöhen wieder auf. Er hat sich von Radecki einspannen lassen und den Preis dafür gezahlt.«
    »Aber haben Sie ihn auch umbringen lassen?«
    Morgan hob die Augenbrauen. »Carol, wir sind hier nicht im Kindergarten. Diese Leute waren verantwortlich für unsägliches menschliches Leid. Sie werden mir doch nicht erzählen wollen, dass Sie wegen Gesindel wie Colin Osborne schlaflose Nächte verbringen.«
    »Sie haben Recht. Das Leben irgendeines Gangsters aus Essex, der mit Menschenleben gehandelt hat, ist mir nicht besonders wichtig. Aber
mein
Leben ist mir wichtig. Es stört mich schon, dass Sie die ganze verdeckte Operation geplant haben, weil Ihnen irgendwo irgendjemand gesagt hat, es gebe eine ehrgeizige Beamtin bei der Met, die Katerina Basler wie aus dem Gesicht geschnitten sei. Und Sie dachten, das sei eine zu gute Chance, um sie sich entgehen zu lassen. Sie haben mir diese Falle gestellt. Sie haben mich in Gang gesetzt und gehen lassen und wussten die ganze Zeit, dass unter mir eine Bombe tickte, die jederzeit hochgehen konnte.« In Carols Stimme lag kalte Wut.
    Morgan starrte auf den Tisch hinunter. »Ich schäme mich, dass Sie dies durchmachen mussten, Carol. Aber wenn Sie mich fragen, ob es ein
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