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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom
Autoren: Val McDermid
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wenn er die Grenze überschreitet?«, fragte Petra.
    »Das werden wir morgen besprechen. Wenn er nach Holland kommt, will ich es zu Ende bringen. Ich will nicht, dass es sich weiter hinzieht. Aber wenn er keine klaren Schritte unternimmt, haben wir keine Indizienbeweise gegen ihn. Ich brauche also eure Hilfe. Ich frage mich, ob ihr vielleicht bessere Ideen habt als ich?«
    Petra stand auf und ging auf und ab. »Lasst mal sehen, was wir bis jetzt haben. Den Wagen, den Dr. Schillings Freund gesehen hat, sowie ein dazu passendes Auto mit Hamburger Kennzeichen in der Nähe des Tatorts, an dem de Groot ermordet wurde, was auf Wilhelm Mann deuten würde. Wir haben einen Ölfleck auf dem Hefter, den er in Pieter de Groots Akten hinterlassen hat …«
    »Aber keine forensischen Spuren auf irgendeinem der anderen drei Ordner«, warf Marijke niedergeschlagen ein.
    Petra fuhr unerschrocken fort: »Wir haben auch einen Seemannsknoten, der Hinweise auf Wilhelm Mann gibt.«
    »Aber auch auf Tausende anderer Leute«, betonte Tony.
    »Danke, Tony«, antwortete Petra mit einem sarkastischen Lächeln. »Dank der Arbeit der Wasserschutzpolizei im Lauf der letzten Woche können wir den Standort der
Wilhelmina Rosen
genau oder annähernd allen vier Tatorten zuordnen, was uns auch wieder zu Wilhelm Mann führt. Wir haben einen Mörder, der den Decknamen Hohenstein benutzt. Tonys Liste von Schloss Hohenstein führt uns zu einem Albert Mann, der als Kind psychologische Experimente überlebte.«
    Marijke unterbrach ihn. »Gestern hörten wir von der Polizei in Hamburg. Sie haben nach Akten zu Wilhelm Mann gesucht und den Großvater Albert Mann gefunden, dessen Geburtsdatum das gleiche ist wie das des Mannes auf Tonys Liste von Schloss Hohenstein. Er ist vor zwei Jahren verstorben. Die gerichtliche Untersuchung hat ergeben, dass es ein Unfall war, aber wenn man sich die Sache unter der Annahme betrachtet, dass sein Enkel ein Mörder ist, liegt es nahe, dass es Mord gewesen sein könnte.«
    »Mein Gott, bei so vielen Indizienbeweisen, warum lässt man ihn in Köln nicht einfach vorladen, um ihn zu verhören? Ich würde es so machen«, klagte Petra.
    »Es würde nicht viel helfen«, sagte Tony. »Ich glaube nicht, dass er etwas aussagen würde.«
    »Was sollen wir also tun?«, fragte Marijke kläglich.
    Ein langes Schweigen folgte. Petra warf sich neben Tony auf die Couch, so dass er zusammenfuhr. Er biss die Zähne zusammen und sagte: »Ich glaube, ich könnte ihn knacken.«
    »Sie würden nicht zulassen, dass du ihn verhörst«, warf Petra ein.
    »Ich rede nicht von einem offiziellen Verhör«, sagte Tony. »Ich meine, nur er und ich, unter vier Augen.«
    Petra schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Du hast nicht genug Kraft für so etwas. Er könnte dir das Genick brechen wie einen trockenen Ast.«
    »So elend geht’s mir nicht«, sagte Tony. »Ich habe mich heute schon viel mehr bewegt. Die Schmerztabletten fangen an zu wirken. Ich schaff das schon.«
    »Ich dachte, du hättest gesagt, sein Englisch sei schlecht«, warf Petra ein.
    »Ich kann ja Deutsch«, sagte Tony.
    Petra starrte ihn mit offenem Mund an. »Davon hast du nie etwas gesagt.«
    »Wie habe ich deiner Meinung nach die Berichte gelesen?« Er sah mit einer Kopfbewegung zu Marijke. »Ich war sehr dankbar, dass Sie Ihr Material ins Deutsche übersetzen ließen, Holländisch schaffe ich nämlich wirklich nicht.«
    »Trotzdem ist es viel zu riskant«, sagte Marijke.
    »Bleibt uns eine andere Wahl? Sollen wir etwa einfach dasitzen und ihn wieder einen Mord begehen lassen?« Jetzt klang Tony zornig. »Ich habe diesen Beruf ergriffen, weil ich Leben retten wollte. Ich kann nicht untätig hier herumsitzen, während sich ein Serienmörder nach Belieben weitere Opfer schnappen darf«, sagte er hitzig.
    »Marijke hat Recht. Es ist verrückt«, beharrte Petra.
    Tony schüttelte den Kopf. »Eins von zwei Dingen wird passieren. Entweder wird mir die Polizei zur Seite stehen, oder ich mache es allein. Also, wie soll es laufen?«
     
    Mit jedem Tag wurde er stärker. Weil ihm das, was er mit Calvet gemacht hatte, zuerst als eine Schwäche erschienen war, hatte er fast zugelassen, dass es ihn vernichtete. Es hatte Tage und Nächte gegeben, in denen er Angst hatte, er würde der Dunkelheit nie wieder entkommen können. Aber nach und nach begann er zu begreifen, dass seine erste Reaktion richtig gewesen war. Sie sich zu eigen zu machen hatte seine absolute Macht demonstriert. Man musste ein
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