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Ein Hauch Von Sterblichkeit

Ein Hauch Von Sterblichkeit

Titel: Ein Hauch Von Sterblichkeit
Autoren: Granger Ann
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Tee für die Arbeit zu machen. Ihr rundes, stupsnasiges Gesicht war, so gar nicht charakteristisch für sie, mutlos. Sally war eine in gesundem Maße attraktive junge Frau mit langem blonden Haar, das sie gerne hinten zusammengebunden trug und die bequeme Kleidung bevorzugte: heute Faltenrock und Bluse, über die sie einen Pullover gezogen hatte, dicke Winterstrümpfe und flache Schuhe. Das Landleben gefiel ihr. Sie hatte Liam davon überzeugt, dass ein Cottage auf dem Land ideal wäre. Hier würde er sich darauf konzentrieren können, sein Buch zu schreiben, indem er es so einrichtete, dass er nur einen Teil der Woche im Labor verbrachte und die restliche Zeit zu Hause. Und sie würde in ihrer Freizeit gärtnern können. Doch es war nicht ganz so gekommen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Liam kam nicht mit dem Land zurecht. Es machte ihm zu schaffen. Die Ziegen waren nur ein Beispiel. Sie hatte nichts gegen die Ziegen, auch wenn es zutraf, dass der alte Bodicote nichts unternahm, um zu verhindern, dass sie in den Garten der Caswells einbrachen. Sie vermutete, dass es Teil einer systematischen Schikane war, mit der er seine neuen Nachbarn vertreiben wollte. Und sie hatte einmal geglaubt, dass der alte Mann sie mochte, wenn auch nicht Liam, dann doch wenigstens sie. Doch das war vor der unglückseligen Geschichte mit den Rüben gewesen.
    »Gott sei Dank kann ich arbeiten gehen!«, beglückwünschte sich Sally selbst – und spürte im gleichen Augenblick Schuldgefühle. Sie liebte ihren Mann, doch an manchen Tagen war er einfach unmöglich. Liam hasste das Cottage, und nichts hatte sich so entwickelt, wie Liam und sie es geplant hatten – kein Wunder, dass sie in letzter Zeit unter Stress litt. Nur ihre Arbeit in Bamford, ihre Flucht aus dem Haus, hatte verhindert, dass sie durchgedreht hatte. Es gab gelegentlich auch anderes, was ihr Luft verschaffte, etwa wenn Liam in Norwich war. Obwohl er sich ganz und gar dem Buch widmete, behielt er das studentische Austauschprogramm seines Oxforder Forschungslabors im Auge ebenso wie das eines weiteren Labors in Norfolk, das sich mit ähnlichen Arbeiten befasste. Jetzt hatten die Ereignisse einen Strich durch seine Pläne und die Fahrt nach Norfolk gemacht – wahrscheinlich die Ursache für seine schlechte Laune – und ihr genommen, was sie inzwischen beinahe als Liamfreie Erholungspause zu schätzen gelernt hatte. Sie trat an eine Arbeitsfläche, auf der eine Reihe zugestöpselter Krüge aus glasiertem Steingut standen, jeder einzelne davon sorgfältig beschriftet. Sie trank keinen Kaffee und keinen gewöhnlichen Tee, sondern besaß eine Vorliebe für Kräutertees. Hier auf dem Land konnte sie ihren Tee sogar selbst herstellen. Im Sommer nahm sie geeignete frische Blätter oder Blüten, die sie im eigenen Garten pflückte, um sie mit kochendem Wasser zu übergießen, ziehen zu lassen und schließlich mit einem guten Teelöffel Honig zu süßen, bevor sie das entstandene Gebräu durch ein Sieb goss. Zugleich trocknete sie im Sommer in ihrem Küchenspind Kräutersträuße, so dass sie im Winter über einen hübschen Vorrat verfügte, auch wenn der Tee nicht das Aroma von frischen Zutaten entwickeln konnte. Man musste schon genau wissen, was man da tat – und man musste sorgfältig darauf achten, geeignete Pflanzen auszuwählen. Liam missbilligte ihre selbst gemachten Tees. Andererseits schien Liam die meisten Dinge zu missbilligen, die sie tat.
    »Du weißt doch überhaupt nicht, was du da trinkst!«, pflegte er manchmal zu sagen. Und sie antwortete jedes Mal:
    »Und ob ich das weiß. Besser als du!« An den Tagen, an denen sie nach Bamford zu ihrer Teilzeitarbeit fuhr, nahm sie ihren
    »Tee« in einer Thermoskanne mit, nachdem sie Liam eine Thermoskanne Kaffee gekocht hatte. Sie machte sich nun daran, diesen Tee zuzubereiten, und während der Wasserkocher heiß wurde, setzte sie sich an den Tisch und öffnete die beiden Briefumschläge. Wie sie erwartet hatte, enthielten sie frühe Weihnachtsgrüße. Sie durfte nicht vergessen, in Bamford zwei dicke Packen Weihnachtskarten zu kaufen. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf den gefütterten Umschlag. Die Adresse war in Druckbuchstaben geschrieben:
    »Caswell«. Dann stand da noch das Wort
    »Video«, ebenfalls in Druckschrift. Sie hatte keine Ahnung, wer es ihnen geschickt haben könnte. Es gab keinerlei Hinweis, bis auf den Poststempel von Central London. Sie nahm den gefütterten Umschlag zur Hand und schüttelte ihn
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