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Ein Hauch Von Sterblichkeit

Ein Hauch Von Sterblichkeit

Titel: Ein Hauch Von Sterblichkeit
Autoren: Granger Ann
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probehalber. Das Wasser im Kocher begann zu sprudeln. Sie starrte zum Kocher, dann wieder auf den Umschlag in ihrer Hand und zögerte. Der Wasserkocher klickte laut. Sally legte den gefütterten Umschlag beiseite, stand auf und ging in Richtung Arbeitsplatte hinüber, wo der Wasserkocher stand. Rums! Hinter ihr gab es eine Explosion, eine wie die, an die sie sich aus ihrer Kindheit erinnerte, wenn Kohle in einem nicht gefegten Schornstein unversehens Feuer fängt. Es begann als wütend kehliges Fauchen und endete in einem triumphalen, zerfetzenden Geräusch, als hätte sich eine eingesperrte Kreatur endlich den Weg freigesprengt, hinaus in die Freiheit. Gleichzeitig mit dem vertrauten Geräusch erhöhte sich der Druck in ihren Ohren. Eine geballte Faust traf sie im Rücken und schleuderte sie nach vorn, wo sie mit dem Kopf gegen die Kante des Hängeschranks prallte. Ein heller Blitz zuckte durch die winterlich düstere Küche. Das alles um sie herum geschah im selben Moment, und doch nahm sie alles, jedes einzelne Ereignis deutlich und wie in Zeitlupe wahr. Teller krachten von einem Regal. Kleine Splitter zischten durch die Luft. Einer wurde ins Fenster geschleudert und ließ die Scheibe bersten. Glas regnete zu Boden, zum Teil in den Garten hinein, zum Teil in die Küche selbst. Der Tisch war in eine undurchdringliche Rauchwolke gehüllt, die bald die ganze Küche erfüllte, begleitet vom beißenden Gestank geschmolzenen Plastiks und versengten Holzlacks. Verwirrt und für den Augenblick orientierungslos lag sie schlaff über der Arbeitsplatte, und ihre Finger umklammerten noch immer den Griff des elektrischen Wasserkochers. Wie durch ein Wunder war das Gerät an seinem Platz geblieben, sein Inhalt hatte sie nicht schlimm verbrüht. Der Brandgeruch wurde stärker. Rauch drang in ihre Lungen und ließ sie husten und würgen. Sie ließ den Wasserkocher los und presste die Hände vor Mund und Nase. Sie bemerkte – und aus irgendeinem Grund machte ihr das mehr aus als alles andere –, dass die getrockneten Teekräuter aus den Steinzeugkrügen verschüttet waren. Während sie hinsah, rollte ein Krug über die Tischkante und zerschellte am Boden in ein halbes Dutzend Teile. Und über allem hörte sie die Stimme ihres Mannes. Sie kam aus Richtung der Küchentür.
    »Was um alles in der Welt hast du nun wieder angestellt?! Kriege ich denn überhaupt keine Ruhe?!« Sally richtete sich auf und wandte sich zu ihm um. Sie musste sich auf die Arbeitsplatte stützen. Sie blutete aus einer Wunde an der Stirn. Das Blut rann über ihre Nase und tropfte rot auf ihren Pullover. Durch den Rauch hindurch sah sie seine Umrisse nur undeutlich in der Tür. Empört stellte sie richtig:
    »Ich hab überhaupt nichts angestellt!«
    »Was ist denn passiert?« Er kam in die Küche, trat auf den Tisch zu, die Hände vorgestreckt. Sie erwachte plötzlich zum Leben.
    »Nicht! Fass das nicht an!« Sie stieß sich von der Arbeitsplatte ab und sprang vor.
    »Nicht anfassen!« Beim schrillen, panikerfüllten Klang ihrer Stimme hielt er inne und starrte perplex auf den Weichholztisch vor sich.
    »Das Päckchen«, krächzte sie.
    »Es war dieses Päckchen …«
    »Was für ein Päckchen? Wovon redest du denn?« So war Liam eben. Wenn er damit beschäftigt war zu schreiben, drang nichts zu ihm durch. Andererseits war die Frage vielleicht verzeihlich, denn es war kaum noch etwas von dem Päckchen übrig. Und wo es gelegen hatte, war nun ein fürchterlicher Brandfleck im Holz. Sie verlor die Fassung. Furcht, Angst und Bestürzung übermannten sie.
    »Das Päckchen, in dem angeblich ein Video war! Ich hab es dir erst vor zehn Minuten gezeigt! Es ist zum Schreien! Vergiss doch mal für eine Weile dieses elende Buch! Es war kein Video! Es war eine Briefbombe, verstehst du nicht? Diese Tierschützer-Extremisten haben dir eine Briefbombe geschickt! Wahrscheinlich dieselben, die letztes Jahr in dein Labor eingedrungen sind! Bestimmt waren es dieselben!« Er öffnete den Mund zu einer Erwiderung, und sie war sicher, dass er
    »Unsinn!« sagen würde. Doch er konnte nicht abstreiten, dass der Tisch einen großen schwarzen Brandfleck hatte und immer noch überall glimmende Papierfetzen und Plastikreste herumlagen. Und erst jetzt schien er wahrzunehmen, wie sie aussah.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Ich denke schon. Ich hab mir den Kopf gestoßen.« Sie betastete vorsichtig ihre Stirn.
    »Ich hatte ein unglaubliches Glück, Liam! Ich war dabei, das Päckchen zu
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