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Ein Hauch Von Sterblichkeit

Ein Hauch Von Sterblichkeit

Titel: Ein Hauch Von Sterblichkeit
Autoren: Granger Ann
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öffnen! Ich hab es sogar geschüttelt, Herrgott! Dann hat sich der Wasserkocher abgeschaltet, und ich bin aufgestanden. Sonst wäre ich …« Sie verstummte. Er stand mit herabhängenden Armen da, und in seinem jungenhaften Gesicht, das ihn stets jünger als seine tatsächlichen achtunddreißig Jahre wirken ließ, spiegelte sich seine Verwirrung.
    »Das kann nicht sein!«, meinte er ohne jede Überzeugung.
    »Und ob es das kann! Wer auch immer es geschickt hat, er hätte dich blenden können, Liam! Du wärst grauenhaft entstellt gewesen! Wir müssen die Polizei rufen!«
    KAPITEL 2
    MEREDITH MITCHELL war in den vergangenen beiden Wochen krankgeschrieben und nicht in ihrem Büro im Foreign Office gewesen. Sie war von einer besonders virulenten Grippe heimgesucht worden, die sie Mitte November ins Bett gezwungen hatte. Meredith hatte seit Jahren keine richtige Virusgrippe mehr gehabt und völlig vergessen, wie verheerend die Krankheit sein konnte. Es stand überhaupt nicht zur Debatte, wieder zur Arbeit zurückzukehren. Unnötig zu erwähnen, dass sie sich im Sommer nicht zu einer Grippeimpfung gemeldet hatte.
    »Nicht, dass es in Ihrem Fall einen Unterschied gemacht hätte«, tröstete Dr. Pringle sie freundlich.
    »Das ist ein neuer Stamm von Viren. Alle paar Jahre tritt ein neuer Stamm auf.« Im Bett bleiben, jede Menge Flüssigkeit trinken und es ausschwitzen, hatte sein Ratschlag gelautet. Er hatte ihr ein paar Medikamente verschrieben, die die Glieder- und Kopfschmerzen linderten, und das war es mehr oder weniger gewesen. Sie hatte seinen Ratschlag befolgt, weil sie sowieso nicht zu sehr viel mehr im Stande gewesen wäre. Von ihrem Bett aus hatte sie die Risse an der Decke angestarrt, bis sie jeden einzelnen auswendig kannte, und rudimentäre Pläne geschmiedet, etwas dagegen zu unternehmen. Die Ecken waren auch voller Spinnweben, die sich sanft im Zug bewegten. Auch dagegen musste man etwas unternehmen. Und so hatte sie während ihrer Bettlägerigkeit angefangen, eine intensive Abneigung gegen die Zimmerdecke zu entwickeln. Sie war wie ein Notizzettel voll mit häuslichen Aufgaben. Keinerlei inspirierende Ideen entsprangen ihr, keine Ermutigung zu tiefer gehenden Reflexionen über den Sinn des Lebens. Kein geisterhafter Finger, der entgegenkommenderweise Vorzeichen skizzierte. Kein mene, mene Tekel, Upharsin. Nur eine von Rissen durchzogene viktorianische Zimmerdecke und vermutlich sehr wirr verlegte elektrische Leitungen für das Deckenlicht, alles nur, um ihr Gewissen ausgerechnet dann zu quälen, wenn sie am wenigsten im Stande war dem etwas entgegenzusetzen. Das, was ihr den letzten Nerv geraubt hatte, war Mrs. Harmers Verpflegung gewesen. Mrs. Harmer war die Haushälterin des Vikars James Holland. James war gegenwärtig nicht in der Stadt und so freundlich gewesen, seine Haushälterin an die Kranke
    »auszuleihen«, und einmal mehr war Meredith zu entkräftet gewesen, um energischen Widerstand zu leisten. Was bedeutete, dass Mrs. Harmer jeden Morgen um acht Uhr krachend die Haustür ins Schloss warf, in Winterstiefeln durch den schmalen Flur in die Küche stampfte und
    »Keine Sorge, alles in Ordnung, Mrs. Mitchell, ich bin’s nur!« durch das Haus brüllte. Um anschließend Tee aufzubrühen und Porridge für Merediths Frühstück zuzubereiten.
    »Ein gutes Frühstück macht einen bereit für den Tag! Ganz besonders jemanden, der isst wie ein Vögelchen, so wie Sie das tun, meine Liebe. So haben Sie jetzt wenigstens etwas Solides im Magen.« Und, alles, was recht war: Das Porridge war solide – wahrscheinlich genau das Richtige, um die Risse in der Decke zu spachteln. Doch es war immerhin auch essbar und bei weitem das Beste an Mrs. Harmers Krankendiät. Die Diät war schlimmer gewesen als sämtliche Symptome der Grippe zusammengenommen. Und Mrs. Harmer hatte es auch nicht mit den jüngsten Erkenntnissen über richtige Ernährung.
    »Modetorheiten!«, nannte sie sie verächtlich. Wenn man krank sei, dann brauchte man nach Mrs. Harmers Auffassung reichlich gekochten Fisch. Gekochter Fisch sei gut für das Gehirn. Reispudding war wohl ebenfalls gut, wie es schien. Pochierte Eier, grauenhaft roh und glasig und auf viel zu weichem Toast, mussten sogar ausgezeichnet sein. Im Gegensatz zu gekochten Eiern.
    »Bindung!«, verkündete Mrs. Harmer geheimnisvoll. Kaffee galt als schlecht für die Nerven.
    »Oxo!«, erläuterte sie und knallte Meredith große Becher nahrhafter Brühe aus dem gleichnamigen
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