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Das Maedchen mit dem Flammenherz

Das Maedchen mit dem Flammenherz

Titel: Das Maedchen mit dem Flammenherz
Autoren: Kady Cross
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EINS
    Juli 1897, hoch über dem Atlantik
    W as machst du da?«
    Finley Jayne lächelte im Dunkeln. Sie hätte sich ja gleich denken können, dass Griffin nach ihr sehen würde. Sie legte beide Hände auf den schmalen Bug und sah über die Schulter. Er stand am Rand der schwach beleuchteten Aussichtsplattform des Luftschiffs. Der Fahrtwind wehte ihr die Haarsträhnen ins Gesicht. »Ich finde heraus, wie es sich anfühlt zu fliegen«, antwortete sie.
    »Wir sind über dreitausend Fuß hoch«, rief er, um den Motorenlärm zu übertönen. »Fliegen kann tödlich sein.«
    Finley lachte über seinen unausgesprochenen Vorwurf, sie habe die Warnschilder ignoriert. Es war den Passagieren streng verboten, aus dem Fenster oder über die schützenden Geländer zu klettern. Griffin King war der Duke of Greythorne, und manchmal lastete die ganze Welt auf seinen Schultern. Dass er sich um sie sorgte, fand sie süß.
    Er versuchte es mit einer anderen Taktik. »Wir werden bald landen«, drängte er. »Komm doch wieder rein, und pack deine Sachen.«
    »Ich habe längst gepackt und bin bereit«, rief sie zurück. »Aber komm du doch heraus und sieh dir an, wie wundervoll New York City in der Nacht ist.«
    Sie rechnete nicht damit, dass er sich auf die Herausforderung einließ. Natürlich war er kein Feigling, ganz gewiss nicht. Aber als Herzog und Einzelkind fand er es sicher unverantwortlich, sein Leben aufs Spiel zu setzen – nur für den schönen Ausblick und weil sie ihn dazu aufgefordert hatte. Nein, so leichtsinnig war Griffin nicht. Ganz im Gegensatz zu Jack.
    Finley schob die Erinnerung an den berüchtigten Verbrecher Jack Dandy sofort wieder weg. Jack war in London, und es war nicht fair, Griffin mit ihm zu vergleichen. Beide waren auf ihre Weise unvergleichlich.
    Sie hörte ein leises Geräusch hinter sich, und auf einmal saß Griffin bei ihr auf dem schmalen Sporn. Unter ihnen befand sich jetzt nur noch die Galionsfigur des Luftschiffs, eine aus Holz geschnitzte, kräftige blonde Frau von zweifelhafter Tugendhaftigkeit. Hinter ihnen lagen Tausende Meilen dunkler Nacht.
    »Was tust du da?«, fragte Finley. Auf einmal klang ihre Stimme genauso wie seine kurz vorher, womöglich sogar noch ein wenig ängstlicher. Schließlich war sie erheblich robuster als Griffin. »Du solltest nicht hier draußen sitzen.«
    Eines seiner Beine berührte sie, und sie bekam eine Gänsehaut unter dem gestreiften Strumpf. »Ich weiß, aber es ist die einzige Möglichkeit, sich wirklich so zu fühlen, als flöge man.« Sie musste sein anziehendes Gesicht nicht sehen, um zu erkennen, dass er lächelte. »Es ist wundervoll, nicht wahr? Sieh mal, da unten ist die Freiheitsstatue.«
    Ja, es war wundervoll. So sehr, dass Finley keine Worte fand, um ihm zu antworten. Vor ihnen, jenseits der Laternen des Schiffs, erstreckte sich ein Lichtermeer. Wie Sterne bedeckten die Lichter den Boden, und ein Stück vor ihnen stand die größte Statue, die sie je gesehen hatte. Im Schein der Fackel, die sie in der erhobenen Hand hielt, war zunächst nur der gekrönte Kopf zu erkennen, dann erfassten die Scheinwerfer des Luftschiffs auch den Rest der Figur.
    »Ich habe den Piloten gebeten, dicht vorbeizufliegen, damit wir sie sehen können«, erklärte Griff.
    »Hast du ihn gebeten oder es ihm befohlen?«, neckte sie ihn, denn sie fuhren mit seinem privaten Luftschiff, das nach seiner Mutter Helena benannt war. Auch wenn jemand anders es steuerte, er hatte das Kommando.
    Er lächelte. »Ich habe ihn gebeten. Was hältst du bisher von Amerika?«
    »Es ist großartig.« Die Worte kamen überschwänglicher heraus, als sie beabsichtigt hatte. Bisher war sie noch nie außerhalb Englands gewesen, eigentlich sogar noch nie außerhalb von London. Deshalb war dies jetzt schon ein einmaliges Erlebnis für sie – ganz zu schweigen davon, dass sie vor nur vierzehn Tagen gegen einen Verrückten gekämpft hatten, um die Welt zu retten. Es war ein schreckliches und völlig unschickliches Abenteuer gewesen. Aber dies hier – über dem weiten Atlantik schweben, den Nachtwind im Haar und Griffin dicht hinter sich spüren –, das war einmalig.
    Sie fühlte sich ihm sehr nahe. So nahe, dass sie sogar ein wenig Angst bekam. Im Grunde wusste sie nicht, wer sie wirklich war. Er dagegen war ein Herzog und konnte Gebäude zum Einsturz bringen, indem er den Äther kontrollierte. Zwischen ihnen konnte nie etwas anderes als Freundschaft sein, aber das hielt sie nicht davon ab, sich
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