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Ein Geschenk von Tiffany

Ein Geschenk von Tiffany

Titel: Ein Geschenk von Tiffany
Autoren: Swan Karen
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und es war Wiz gewesen, die ihr die Flugtickets besorgte und sich um alles kümmerte, damit sie zwei Monate lang bei ihrer Mutter in Hongkong bleiben konnte. Aber das Ganze war keineswegs einseitig: Als Wiz, im fünften Monat schwanger, von ihrem Mann Sholto schmählich verlassen worden war, hatte sie, Cassie, sie auf allen Schwangerschaftskursen begleitet, hatte während der Geburt ihre Hand gehalten und war nun die hingebungsvolle Taufpatin von Wiz’ kleinem Sohn Rory.
    Zehn Jahre lang hatte das reibungslos geklappt, ihre Freundschaft mit Wiz und ihre Freundschaft mit den Mädels – weil sich diese Freundschaften nie überlappt hatten. Bis jetzt. Der heutige Abend war also für alle etwas ungewohnt.
    Sich bei ihren Gästen entschuldigend versuchte sie zu den Mädchen vorzudringen, wurde aber derart häufig mit Komplimenten über ihre fabelhafte Erscheinung aufgehalten – auf die es eine höfliche Antwort zu geben galt –, dass ihr Vorwärtskommen so zäh war, als müsse sie durch Schlamm waten. Als sie endlich bei dem Grüppchen eintraf und Suzys Arm ergriff, war Wiz schon wieder weg.
    »Wo ist sie hin?«, fragte sie enttäuscht. Sie musste unbedingt wissen, was Wiz von ihrem Kleid hielt. Gil steckte irgendwo außer Sichtweite in einer Gästegruppe fest.
    »Sie hatte einen Anruf. Eine Martha?«
    Cassie nickte. »Das ist ihr Kindermädchen.«
    »Ach so. Also, ich glaube, sie ist ins Arbeitszimmer gegangen.«
    Cassie strich nervös ihr Kleid glatt. »Danke. Bin gleich wieder da!«
    Sie drängte sich durch die Menge, den Blick absichtlich gesenkt. »Verzeihung, darf ich mal … ein dringender Anruf … bin gleich wieder da …«
    Die Tür des Arbeitszimmers war nur angelehnt, und Cassie konnte hören, wie Wiz mit beruhigender Stimme auf Rory einredete, ihm Gute Nacht sagte. »Ich hab dich auch lieb, mein Schatz«, hörte Cassie sie sagen, »sei schön brav und mach Martha keine Schwierigkeiten, hörst du?«
    Cassie blieb lächelnd vor der Tür stehen, sie wollte nicht stören. Rory war vor Kurzem drei geworden und ging nun in den Kindergarten. Schon jetzt hatte er einen Terminkalender, der Cassies in den Schatten stellte. Cassie machte immer Witze darüber, dass es leichter sei, einen Termin beim Papst zu bekommen, als mal mit Rory spielen zu dürfen. Wenn er nicht im Kindergarten war, war er bei der Baby-Gymnastik, beim Yoga, Französischunterricht, Kleinkinderfußball oder hielt sein Mittagsschläfchen. Cassie wusste aus einschlägigen Zeitschriften, dass eins der Probleme moderner Eltern darin bestand, ihr Kind mit zu vielen Aktivitäten zu überfrachten. Ein anderes Problem dagegen fand in keinem Erziehungsratgeber Erwähnung: Was tun, wenn dein Patenkind einfach keine Zeit für dich hat?
    Sie lehnte sich an die Wand und zeichnete das marineblau-flaschengrüne Schottenmuster der Tapete mit dem Finger nach.
    »Und vergiss nicht, dir die Zähne zu putzen. Martha hat erzählt, dass es Eis zum Nachtisch gab …«
    Cassie warf einen Blick zurück zur Eingangshalle. Kellner gingen mit Tabletts zwischen den Gästen umher und servierten diverse Getränke. Betrinken würde sich heute Abend allerdings sicher keiner, so etwas tat man einfach nicht.
    »Okay, Daddy ist jetzt da und will dir auch Gute Nacht sagen …«
    Was?
    Cassie richtete sich mit einem Ruck auf. Das Blut rauschte ihr in den Ohren. Sholto war hier?
    Sie schüttelte verwirrt den Kopf. Aber Wiz hatte doch keinen Kontakt mehr zu ihm, seit er sie vor jetzt fast vier Jahren sitzen gelassen hatte. Außerdem hätte Gil ihn niemals eingeladen. Er wusste ebenso gut wie sie, was für ein Verrat, was für eine Demütigung das damals für Wiz gewesen war.
    »Na, wie ist es meinem kleinen Mann denn heute so ergangen?«
    Das Rauschen in ihren Ohren nahm zu, ihr Herz hämmerte wie wild.
    »Die Burg? … Brav, brav … und jetzt tu, was Mummy sagt, und putz dir schön die Zähne … noch zweimal schlafen, dann komme ich wieder, okay? … Du fehlst mir, Rory. Schlaf schön …«, sagte die Stimme, diese einprägsame Stimme, in die sie sich als Erstes verliebt hatte.

New York

1. Kapitel
    Cassie sah die Wolkenkratzer am Horizont auftauchen, wie riesige aus Stahl und Glas gehauene Zähne. Sie verstand das Getue nicht, das um diese Stadt veranstaltet wurde, aber das war auch nicht leicht, aus zehntausend Fuß Höhe. New York gehörte zu den Städten, von denen es hieß, man müsse sie unbedingt einmal im Leben gesehen haben. Cassie hatte nie den Wunsch verspürt
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