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Ein Geschenk von Tiffany

Ein Geschenk von Tiffany

Titel: Ein Geschenk von Tiffany
Autoren: Swan Karen
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hierherzukommen – was sie natürlich auf keinen Fall laut zugegeben hätte. Das wäre, als würde man sagen, Nelson Mandela sei nicht der absolute Wunsch-Dinnergast, oder eingestehen, dass der absolute Lieblingsfilm Pretty Woman sei. (Was bei ihr der Fall war.)
    Trotzdem war sie jetzt hier – die erste Entscheidung war gefallen. Der letzte Ort, an den sie kommen wollte, war der erste, den sie aufsuchte. Das glatte Gegenteil von dem, was sie gewohnt war: ein lauter, greller, schneller Ort, eine brodelnde Menschenmasse, die zumindest eins bewerkstelligen würde: Es würde sie von dem Scherbenhaufen ablenken, der ihr Leben war.
    Das Flugzeug flog um die Freiheitsstatue herum – hoch aufragend und stolz und grün wie ein Pfefferminzbonbon. Sogar zweimal, wie um mit dem Finger darauf zu zeigen und zu sagen: Freiheit, siehst du? Freiheit und Unabhängigkeit. Hier ist es gut . Doch so leicht ließ sie sich nicht täuschen. Was war schon gut daran, frei und unabhängig zu sein? In ihren Augen war das nur eine Verdrehung der eigentlichen Wortbedeutung, die da lautete »Isolation« und »Einsamkeit«.
    Sie schüttelte den Kopf und leerte ihren Drink. Ja, sie war betrunken. Und depressiv. Beides würde vorübergehen, das eine schneller als das andere. Unwillkürlich fragte sie sich, ob Gil wohl das eine oder andere davon war, ob ihn ihre überstürzte Flucht zur Besinnung gebracht, ob ihm plötzlich klar geworden war, was für einen schweren Fehler er gemacht, wie falsch er sich verhalten hatte.
    Aber noch während sie das dachte, erkannte sie, dass er nur eins empfinden würde: Erleichterung. Wiz und er passten in so vieler Hinsicht besser zusammen – nun konnte er endlich aufhören, ihr weiterhin was vorzuspielen, und sich ganz seiner zweiten Familie widmen.
    Erschrocken hielt sie in ihren Überlegungen inne.
    War es wirklich seine zweite Familie gewesen – oder nicht eher seine erste? War sie vielleicht nur das Anhängsel? Wiz hatte schließlich ein Kind mit ihm. Blutsbande. Sie dagegen hatte bloß einen goldenen Ring und eine rechtskräftige Urkunde. Andererseits war sie als Erste da gewesen … oder? Sie versuchte das alles rational zu durchdenken, aber sechs Gin Tonics machten es einem nicht gerade leichter. Ah! Moment! Sie hatte ihren Eheschwur nicht nur vor dem Standesbeamten geschworen, sondern auch vor Gott und einem Priester. Sie hatte also Gott auf ihrer Seite. Und die Mädels.
    Sie ließ ihren Kopf zurücksinken und schloss die Augen. Gott und die Mädchen. Wer kam dagegen an? Gil jedenfalls nicht. Hatte es gar nicht erst versucht.
    Gil und Wiz hatten stumm zugesehen, wie Suzy, Kelly und Anouk handelten. Wie sie Cassie, gelähmt vor Schock, nach oben verfrachteten, ihr das Kleid auszogen, ihre Koffer packten, ihren Reisepass für sie raussuchten, ihre Füße in die verdreckten Gartenstiefel, die vor der Hintertür standen, zwängten und sie schließlich in ein Auto verfrachteten. Sie hatten ihr den Sicherheitsgurt angelegt, wie einem Kind. Cassie wollte nur eins: weg. Weg von ihrem alten Leben, auf zu einem neuen, wo immer das auch sein mochte. Hier vielleicht, in New York? Dort unten? Abermals schaute sie aus dem Fenster.
    Oder in London? In Paris? Sie machte die Augen zu und versuchte, es sich so auszumalen, wie es ihr die Mädchen beschrieben hatten: sie selbst, ihr neues Ich, selbstbewusst, eigenständig, urban, mit klappernden Absätzen über die Pflaster der Metropolen der Welt schreitend, an Männern vorbei, die sich die Hälse nach ihr verrenkten. Es gelang ihr nicht. Sie konnte es sich nicht mal vorstellen. In den letzten zehn Jahren waren die Einzigen, die sich die Hälse nach ihr verrenkt hatten, die Hühner gewesen, wenn sie sie fütterte. Aber noch während sie über die holprige Straße gefahren waren, die von dem Anwesen fortführte, hatte ein Plan Gestalt angenommen. Heftig hatten sich ihre drei Freundinnen darüber gestritten, wo Cassie am besten aufgehoben wäre. Suzy war natürlich für London eingetreten, das am leichtesten zu erreichen war und am einfachsten für eine junge Frau, die noch nie in einer Großstadt gelebt hatte. Kelly hatte eingewendet, dass Cassie eine Schocktherapie brauche, den kalten Guss sozusagen, und New York wäre die Stadt für einen Kulturschock. Anouk dagegen fand, das ruhigere, elegantere, gepflegtere Paris wäre für Cassies Natur besser geeignet und die Sprache beherrsche sie sowieso schon.
    Den ganzen Weg bis zum Flughafen hatten sie sich gestritten, ohne zu
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