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Ein Geschenk von Tiffany

Ein Geschenk von Tiffany

Titel: Ein Geschenk von Tiffany
Autoren: Swan Karen
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einem Ergebnis zu kommen. Denn, um ehrlich zu sein, wusste keine so recht, was für ein Leben Cassie eigentlich leben sollte (und wo). Nicht einmal Cassie selbst. Am Ende hatten sie sich, so wie ihre Mütter sie früher immer gedrängt hatten, darauf geeinigt zu teilen.
    Cassie zu teilen. Sie würde jede von ihnen besuchen und vier Monate lang bei ihr wohnen. Anouk und Suzy hatten Gästezimmer, Kelly ein Klappbett. Eine Wohnung zu mieten hätte keinen Sinn gehabt – nicht nur deshalb, weil die Mindestmietzeit sechs Monate betrug, sondern vor allem, weil sich Cassie keine eigene Wohnung leisten konnte. Sie besaß kein eigenes Vermögen, nur eine gemeinsame Kreditkarte mit Gil, die dieser jederzeit sperren lassen konnte. Das Einzige, was sie besaß, war eine bescheidene Hinterlassenschaft ihres Vaters, die sie, nach Meinung der Mädchen, jedoch keinesfalls antasten durfte, bevor sie wusste, was sie mit sich anfangen wollte. Es würde Monate dauern, bis die Scheidung rechtskräftig wäre, aber auch in diesem Fall konnten die Mädchen helfen. Kelly und Suzy waren selbständig und würden sie, zumindest auf Teilzeitbasis, irgendwo bei sich unterbringen können. Anouks Handwerk war zu spezifisch, um jemand Ungelernten einstellen zu können, doch hatte sie genügend Kontakte, um, wie sie sagte, etwas für Cassie besorgen zu können, wenn sie im nächsten Jahr zu ihr käme.
    Das war also der Plan: drei Städte, drei Freundinnen, drei Betten zum Schlafen und drei Zeitjobs. Sie würde ganz von vorne anfangen, und jedes der Mädchen würde die Gelegenheit bekommen, Cassie unter seine Fittiche zu nehmen, Einfluss auf sie auszuüben. Cassie erklärte sich im Gegenzug bereit, sich ganz in die Hände der jeweiligen Freundin zu begeben, nicht zu meckern oder neue Ideen zurückzuweisen. Nach Ablauf dieses Jahres würde sie wissen, wer die wahre Cassie war und wie sie leben wollte. Danach wäre ihr Leben wieder das ihre, aber dann wäre sie eine neue Cassie – selbstbewusst, sexy, mondän und zielstrebig.
    Damit anzufangen, das war der schwierige Teil. Sie hatte um einen Tag Bedenkzeit gebeten, bevor es mit dem neuen Leben losgehen sollte. Die Mädchen hatten sie nicht eine Minute allein lassen wollen, doch sie hatte darauf bestanden, wenigstens ein paar Stunden für sich zu sein, ehe sie dieses neue Kapitel in ihrem Leben aufschlug. Nur widerwillig hatten sie ihr ein Zimmer in einem schäbigen Airport-Hotel besorgt, mit einem harten Bett und einer gut bestückten Minibar. Kelly war noch in derselben Nacht weitergeflogen, Anouk und Suzy waren gemeinsam in einen Zug nach London gestiegen. Und um Mitternacht, an ihrem zehnten Hochzeitstag, war Cassie allein in ihrem Hotelzimmer gehockt, wo niemand sie weinen sehen konnte. Und als zwölf Stunden später, im Flugzeug, die Tränen noch immer nicht versiegen wollten, konnte sie sich zumindest damit trösten, dass es nicht ganz so beschämend war, sich in der Öffentlichkeit auszuheulen, wenn einen keiner kannte.
    Mit verheulten Augen blickte sie auf die näher kommenden Wolkenkratzer herab, auf den weiten Himmel, der nun wieder schrumpfte, während das Flugzeug auf der Landepiste aufsetzte. Sie hätte ebenso gut auf dem Mond landen können, so fremd war ihr Manhattan. Cassie erschauerte, als dieses Stückchen Realität in sie einsickerte.
    Sie hatte ihren Mann und ihr Zuhause verlassen, ihre Vergangenheit und ihre Zukunft. Ihr Leben war jetzt in Kellys schönen, gepflegten Händen. Sie konnte nur hoffen, dass ihre Freundin eine bessere Idee hatte, was damit anzufangen war, als sie.
    Das Taxi fuhr mit quietschenden Reifen los und reihte sich in die endlose Schlange anderer gelber Taxis ein, die sich die Lexington Avenue nach Süden quälten. Cassie warf zum x-ten Mal einen Blick auf den zerknitterten Zettel in ihrer Hand, sorgsamer gehütet als selbst ihr Reisepass. Die Schrift hatte auf ihre Handfläche abgefärbt. Abwesend rieb sie sich mit schmierigen Händen die geschwollenen Lider. Apt 116, 119 East 63rd Street, zwischen Lex und Park, 10022 , stand darauf. Für sie war das reinstes Chinesisch, es sagte ihr überhaupt nichts. Sie fand sich besser in den weiten, unwegsamen schottischen Mooren um Gils Anwesen zurecht als im Straßengewirr von Manhattan.
    Als sie an einer Kreuzung anhielten, sah sie sich um und entdeckte zu ihrer Linken ein Schild, auf dem East 53rd Street stand. Links und rechts von ihr ragten mittelhohe rußgraue Steinbauten auf. Cassie fand die Gegend, ehrlich gesagt,
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