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Sturm der Leidenschaft

Titel: Sturm der Leidenschaft
Autoren: Judith McNaught
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Kapitel eins
    Die elegante Chaise schaukelte und holperte über die Räderfurchen der Landstraße. Lady Anne Gilbert lehnte den Kopf gegen die Schulter ihres Mannes und seufzte tief und ungeduldig auf. »Noch mindestens eine Stunde, bis wir da sind, aber schon jetzt halte ich es vor Spannung kaum aus. Ich frage mich, wie Whitney wohl sein wird, jetzt, da sie erwachsen ist.«
    Sie schwieg, blickte abwesend aus dem Kutschenfenster auf die üppige englische Landschaft mit ihren rosafarbenen Fingerhüten und gelben Hahnenfußblüten hinaus und versuchte, sich die Nichte vorzustellen, die sie seit nahezu elf Jahren nicht gesehen hatte.
    »Sie ist sicher so hübsch wie ihre Mutter war. Bestimmt hat sie das Lächeln ihrer Mutter, ihre Feinheit, ihre Sanftmut.. .«
    Lord Edward Gilbert warf seiner Frau einen skeptischen Blick zu. »Sanftmut?« wiederholte er amüsiert. »Davon hat im Brief ihres Vaters aber nichts gestanden.«
    Als Attaché am Britischen Konsulat in Paris war Lord Gilbert ein Meister in Andeutungen, Ausflüchten und diplomatischen Finten. In seinem Privatleben bevorzugte er jedoch die offene, unverblümte Rede. »Erlaube mir, deinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen«, meinte er und suchte in seinen Taschen nach dem Schreiben von Whitneys Vater. Er setzte sich die Brille auf die Nase, ignorierte das leise Aufstöhnen seiner Frau und begann zu lesen:
    »Whitneys Verhalten ist empörend, ihr Betragen erschreckend. Sie ist ein unberechenbarer Wildfang, der alle in ihrer Umgebung zur Verzweiflung bringt und mir tiefste Peinlichkeit verursacht. Ich flehe Euch inständig an, sie mit nach Paris zu nehmen - in der Hoffnung, daß Euch mehr Erfolg bei der Erziehung dieses eigensinnigen Kindes beschieden ist, als ich jemals hatte.«
    Edward schmunzelte. »Nennst du das wirklich sanftmütig?«
    Seine Frau sah ihn gereizt an. »Martin Stone ist ein kalter, gefühlloser Mensch, der Sanftmut und Güte bei Whitney auch dann nicht anerkennen würde, wenn sie aus nichts anderem bestünde! Denk doch nur daran, wie er sie gleich nach der Beerdigung meiner Schwester angeschrien und auf ihr Zimmer geschickt hat.«
    Edward legte ihr versöhnlich den Arm um die Schultern. »Ich empfinde für den Mann nicht mehr Zuneigung als du, aber du mußt zugeben, daß es einen schon aus der Fassung bringen kann, wenn man nach dem Tod seiner jungen Frau von der eigenen Tochter vor fünfzig Leuten lautstark beschuldigt wird, ihre Mama in eine Kiste eingesperrt zu haben, aus der sie nicht mehr heraus kann.«
    »Aber Whitney war doch kaum fünf Jahre alt!« entgegnete Anne heftig.
    »Zugegeben. Aber Martin war außer sich vor Trauer. Und abgesehen davon ist sie erst später auf ihr Zimmer geschickt worden, wenn ich mich recht erinnere . . . Als sie im Salon mit den Füßen aufstampfte und drohte, sich bei Gott über uns alle zu beschweren, wenn wir ihre Mama nicht sofort freiließen.«
    Anne lächelte. »Sie war einfach bezaubernd in ihrem hilflosen Zorn, Edward. Einen Moment lang dachte ich, ihr würden vor Empörung die Sommersprossen von der Nase springen. Gib doch zu, daß du sie damals ebenso wundervoll gefunden hast.«
    »Nun ja«, murrte Edward schmunzelnd. »Ich fand sie schon recht beeindruckend.«
    Während die Chaise der Gilberts unaufhaltsam auf das Anwesen von Martin Stone zuschaukelte, warteten dort ein paar junge Leute ungeduldig auf dem Rasen und blickten immer wieder zu dem etwa hundert Meter entfernten Reitstall hinüber. Eine zierliche Blondine glättete ihre rosefarbenen Röcke, seufzte tief auf und ließ reizvolle Grübchen sehen. »Hast du eine Ahnung, was Whitney Vorhaben könnte?« fragte sie den gutaussehenden blonden Mann neben ihr.
    Paul Sevarin blickte mit einem Lächeln in Elizabeth Ashtons große blaue Augen, für das Whitney ihre beiden Füße hingegeben hätte. »Geduld, Elizabeth«, meinte er.
    »Ich bin fest davon überzeugt, daß keiner von uns auch nur die leiseste Idee hat, was Whitney plant, Elizabeth«, mischte sich Margaret Merryton spitz ein. »Aber eines ist sicher: mit Sicherheit wird es etwas ebenso Törichtes oder Ungeheuerliches sein.«
    »Margaret, wir sind immerhin Whitneys Gäste«, rügte Paul.
    »Ich weiß nicht, warum du sie in Schutz nimmst, Paul«, meinte Margaret giftig. »Schließlich hat sie einen entsetzlichen Skandal damit verursacht, wie sie dir hinterherläuft.«
    »Margaret!« rief Paul. »Ich sagte, es reicht.« Stirnrunzelnd sah Paul Sevarin auf seine glänzenden Stiefel. Whitney
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