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Unsterbliche Sehnsucht

Unsterbliche Sehnsucht

Titel: Unsterbliche Sehnsucht
Autoren: Anne Marsh
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    Zer rannte zum G2. Und weil er ein wenig überschüssige Energie abbauen musste, näherte er sich dem Club vom Dach aus. Die körperliche Anstrengung, über Dächer zu laufen und die Lücken zwischen den Gebäuden zu überspringen, gab ihm einen Kick. Das Schöne daran war, dass man nie genau wusste, ob man mit dem Fuß abrutschen würde. Wenn es doch nur genauso leicht gewesen wäre, es endlich zu packen und diesem Jahrtausend der Leere ein Ende zu bereiten und damit endlich den Verdacht zu widerlegen, dass man vielleicht, nur vielleicht, aus dem Himmel verstoßen wurde, weil man nicht gut genug
war
– und nicht etwa wegen eines perfekt durchdachten Plans.
    Die Sicherheitsleute empfingen ihn genau in dem Moment, als er einen Stiefel auf das Dach des Clubs setzte. Wie sollte es auch anders sein, schließlich war Brends, Zers Lieutenant, kein Idiot – wenn es darum ging, auf seinesgleichen aufzupassen, besaß der Mann die Hartnäckigkeit eines hungrigen Jagdhunds. Doch noch bevor Zer das Kennwort murmeln konnte, hatte die Patrouille ihn bereits erkannt. Jeder wusste, wer Zer war: der Herr. Derjenige, der die Gefallenen aus diesem verdammten Sturm heraus zurück zu Ruhm und Ehre führen sollte. Dass er damit schon mehr als tausend Jahre überfällig war, spielte da keine Rolle.
    Zwei Männer, einer links und einer rechts, flankierten ihn. Falls sie ihn aus dem Verkehr ziehen wollten, hatten sie ihre Chance vertan. Er war angreifbar gewesen, als er mit dem Fuß auf der Dachkante aufgesetzt hatte, nun jedoch befand er sich auf festem Boden.
    Sein lederner Staubmantel umwehte ihn, als er die Stufen in den Club hinunterstieg, wobei er seine Frustration und die überbordende Energie an der Treppe mit dem schlichten Linoleumbelag und dem steril wirkenden Geländer ausließ. Während er sich lautlos hinabbewegte und sein Schatten vor ihm über die Stufen glitt, dachte er darüber nach, was er in den letzten Wochen gelernt hatte.
    Die nächtlichen Kämpfe gegen die Abtrünnigen, die Jagd auf die menschliche Bevölkerung von M City machten, stellten nur die Spitze des Eisbergs dar. Das Verlangen, menschliche Emotionen zu trinken, war schlimmer als jede Droge. Bei den Übeltätern handelte es sich um Gefallene, die diesem Verlangen entweder nicht mehr standhalten konnten oder es schlichtweg nicht länger wollten. Vollkommen von dieser dunklen Begierde beherrscht, wüteten sie, waren komplett außer Kontrolle. Geradezu wahnsinnig ergingen sie sich völlig in einer Gewaltorgie und tranken, bis ihre menschlichen Opfer starben.
    Zu allem Übel scharte Cuthah, ein korruptes Mitglied der Herrschaften, der für die Verbannung der Gefallenen aus dem Himmel gesorgt hatte, ganz offensichtlich wie angedroht eine Armee um sich. Sicher, während der letzten Aussprache mit den Gefallenen war von dem Arschloch geradeheraus so etwas angekündigt worden, doch Zer hatte gehofft – und zwar länger, als er es hätte tun sollen –, Cuthah wolle sich nur aufspielen und ein wenig in Szene setzen. Schließlich war er in dem Kampf der Unterlegene gewesen, der nun das Gesicht wahren musste.
    Schön wär’s.
    Vielleicht hätte Zer die Abtrünnigen einfach machen lassen sollen. Der Himmel mochte die Herrschaften zwar rausgekickt haben, es gab jedoch keinen Befehl, sie zu töten. Zumindest noch nicht. Einige der Gefallenen kämpften immer noch um ihre Erlösung. Der Rest gab dem Hunger nach Seele nach und wurde zu Abtrünnigen. Doch drauf geschissen, ob er nun wusste, warum er kämpfte oder nicht; ganz abgesehen davon, dass er auch dreitausend Jahre, nachdem sie auf so verheerende Weise in Ungnade gefallen waren, immer noch als Anführer der Gefallenen fungierte – ob einem das nun passte oder nicht. Und einem Kampf ging er niemals aus dem Weg.
    Zer und seinesgleichen mochten zügellose Frauenhelden sein, die die Vergnügungen, welche die Welt bereithielt, mehr als genossen, aber sie töteten keine Unschuldigen. Sie verführten sie vielleicht, brachten sie aber nicht um.
    Die eng tanzenden und sich lasziv zur Musik bewegenden Menschen auf der überfüllten Tanzfläche wichen ihm weit aus, als er durch den Club schritt.
    Er pflanzte sich auf die gepolsterte Sitzbank im Privatbereich des Clubs und legte die Füße auf den Tisch. Sein Platz in
seiner
Welt. Hier war er der König, das wusste jeder – ob Mensch oder Gefallener.
    Nun, da er sicher auf der Bank Platz genommen hatte, schloss sich der Durchgang zwischen der glotzenden Menge auf der
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