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Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
Autoren: Henry Slesar
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Laut in der Kehle taumelte er zum Tisch und suchte nach einem Werkzeug, das es nur in seiner Phantasie gab. Auf der rechten wie auf der linken Seite durchwühlte er die Werkzeuge, nahm eines in die Hand und legte es wieder weg, ergriff ein anderes, starrte es an und schleuderte es zum Safe. Mit aller Kraft, die noch in seinen Armen steckte, schwang er den Hammer gegen die Tür, so dass es einen lauten Knall gab. Die Erschütterung wanderte durch den Stiel in seinen Körper und lockerte seinen Griff. Der Vorschlaghammer fiel zu Boden, und Sammy, der wie ein Rennpferd keuchte, stand mit gesenktem Kopf, schlaffen Schultern und Kapitulation in den Augen vor dem 801.
    Es war Mitternacht, und der 801 hatte gesiegt.
    Der Jubel, der ausbrach, galt nicht dem empfindungslosen Metallkasten; er galt Sammy. Selbst die Polizisten klatschten Beifall in jener besonderen Art, die dem tapferen Verlierer vorbehalten ist. Fell lief zu Sammy, schüttelte ihm die Hand und umarmte den Geldschrankknacker mit seinen fleischigen Armen. Blitzlichter flammten auf. Einige der Reporter, die von der vorübergehenden Erregung angesteckt worden waren, rannten zu den Telefonen, als wären sie Zeugen eines Weltraumstarts gewesen. Winford Stark, der triumphierend grinste, hatte alle
    Hände voll damit zu tun, Werbematerial an die Zeitschriftenreporter zu verteilen. Aus dem Hintergrund wurde eine Flasche zu dem Geldschrankknacker durchgereicht, und Sammy nahm einen langen und dankbaren Schluck guten Whisky.
    Dann stand Fell auf seinem Stuhl und sprach die Abschiedsworte. Er dankte allen für ihre Teilnahme, dankte Sammy für seine edlen Bemühungen, pries den Einfallsreichtum und die Hartnäckigkeit der Amerikaner und überreichte schließlich Sammy ›The Touch‹ Morrissey den Anteil des Verlierers: eintausend Dollar in bar.
    »Danke«, sagte Sammy und nahm das Geld. »Meiner Ansicht nach ist das tatsächlich ein Safe.«
    Die Menge fing an zu toben.
    Die Party dauerte immer noch an, als Sammy – gedemütigt und verstohlen – aus der Tür schlüpfte.
    Am nächsten Morgen wurde Fells fröhlicher Gruß von seiner Sekretärin nicht erwidert. »Eine Mitteilung für Sie«, sagte sie knapp. »Winford Stark möchte, dass Sie ihn sofort anrufen.«
    Fell grinste und säuberte den Aufschlag seines Jacketts mit einem Taschentuch. »Wahrscheinlich noch mehr Lob«, sagte er seufzend. »Verbinden Sie mich bitte mit ihm, Schatz.«
    Das tat Hilda. Als Stark am anderen Ende der Leitung wie ein verwundeter Stier brüllte, betrachtete Fell den Hörer überrascht. »Was ist denn los, Winford?« fragte er.
    »Was los ist? Das will ich Ihnen genau sagen!« brüllte Stark. »Als der Zeitmechanismus den 801 heute Morgen öffnete, haben wir einen Blick hineingeworfen. Und wissen Sie, was wir gefunden haben? Einen Umschlag mit fünfzig säuberlich zurechtgeschnittenen grünen Papierschnitzeln! Papier, Fell – haben Sie kapiert?«
    »Papier?« Fell musste schlucken. »Nicht Geld?«
    »Nicht Geld!« schrie Stark. »Nur Papier! Wo, Fell, sind die fünfzigtausend Dollar geblieben, die Sie hineingelegt haben wollen?«
    »Aber das ist doch nicht möglich! Ich habe das Geld selbst hineingetan! Irgendjemand...« Er setzte sich schnell hin. »Irgendjemand muss die Umschläge vertauscht haben...«
    Starks Stimme stieß krächzend einen Strom von Beschimpfungen, Beleidigungen und Drohungen aus, aber Harrison Fell hörte nicht ein einziges Wort.
    »Sammy«, sagte er leise.
    »Was soll das heißen?«
    »Sammy!« stöhnte Fell. »Dabei hat er es mir noch selbst gesagt, dass er jetzt auf einem anderen Gebiet tätig sei. Hätte ich doch bloß genau hingehört! Warum habe ich nicht aufgepasst? Er arbeitet heute nicht mehr als Geldschrankknacker – er arbeitet als Taschendieb!«
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