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Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
Autoren: Henry Slesar
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aufzuschieben. Da er morgen weggehen kann, ohne dass seine Frau etwas merkt, werde ich mich mit ihm treffen. Er will mir einen Vorschlag machen. Ich habe den Preis ziemlich hoch angesetzt; also kann er meinetwegen noch handeln. Ich rechne sogar damit. Ich weiß, wie man zu einem Kompromiss kommt. Es kann nichts schiefgehen, Maude.«
    Sie konnte kein Wort herausbringen.
    »Maude? Bist du noch da?«
    »Ich bin noch da, Jimmy.«
    »Ich liebe dich, Maude.«
    Dann legte er den Hörer auf.
    Als sie am Montagmorgen im Büro eintraf, war Dr. Cowper noch nicht da. Für die beiden Patienten, die pünktlich zur Behandlung erschienen, wusste sie keine Erklärung, und deswegen musste sie sie mit der erfundenen Ausrede wegschicken, dass es dem Doktor nicht gut gehe; bei ihrem Anruf in der Wohnung des Doktors stellte sie lediglich fest, dass sein Telefon läutete. Um zwölf ging sie zum Essen, und zwar in das Restaurant, das sie jeden Mittag aufsuchte; aber die vertraute Umgebung wirkte fremd und unwirklich. Als die Kellnerin sich nach ihren Wünschen erkundigte, blickte sie auf die Speisekarte, und plötzlich war ihr übel. Allein die Vorstellung, etwas essen zu müssen, war unerträglich; sie murmelte eine Entschuldigung und kehrte in das Büro zurück.
    Kurz nach zwei erschien Dr. Cowper, der ernster und noch älter aussah als sonst.
    »Ist alles in Ordnung, Doktor?« fragte sie. »Fühlen Sie sich vielleicht nicht gut?«
    Er blieb vor ihrem Tisch stehen und öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen. Dann änderte er jedoch seine Absicht und setzte sich auf den Stuhl neben ihr, wobei er die Hand über die Augen legte.
    »Was ist, Doktor? Was ist los?«
    »Ich habe einen Patienten verloren, Maude«, sagte er. »Und zwar auf unerwartete Art und Weise...«
    »Einen Patienten? Welchen?«
    »Meinen problematischen Fall. Ich hätte es mir sagen müssen. Ich hätte erkennen müssen, dass er mehr Hilfe benötigte, als ich ihm geben konnte. Dann wäre es vielleicht nicht passiert...«
    »Mr. Harrison?« Wie eine eiskalte Klinge fuhr der Name in ihre Brust.
    »Ja, Mr. Harrison. Ich wusste, dass in ihm eine dunkle Kraft steckte, Maude, und dass sie jeden Tag näher an die Oberfläche kam. Aber damit hatte ich allerdings nicht gerechnet.« Er nahm die Hand von den Augen und blickte sie an. »Er hat gestern einen Menschen umgebracht, Maude. Die Polizei setzte sich heute früh mit mir in Verbindung, und ich habe ihn besucht. Er hat einen Mann erschossen, der versuchte, Geld von ihm zu erpressen.« ‚
    »Geld?« sagte sie, und ihre Stimme drückte höfliches Interesse aus, während ihr Gesicht nicht das geringste verriet.
    »Ja, einen Erpresser, wie Harrison sagte, einen Mann, der damit drohte, seiner Frau die Geschichte mit dem jungen Mädchen zu erzählen, in das Harrison verliebt sei. Aber Harrison wollte nicht zahlen; er verabredete sich mit dem Mann und nahm seinen Revolver mit. Dann erschoss er ihn, und jetzt hat die Polizei ihn festgenommen. Ein Erpresser! Gott allein weiß, woher dieser Mann es erfahren hat. Wie konnte er nur einem derartigem Irrtum zum Opfer fallen...«
    »Was meinen Sie damit?« fragte Maude Sheridan, und ihre Stimme klang fast schrill. »Was meinen Sie mit Irrtum?«
    »Ich meine damit, dass für Erpressung gar kein Grund vorhanden war – es waren nur die düsteren Phantastereien eines Mannes. Ein junges Mädchen existierte überhaupt nicht, Maude; dieses Mädchen war eine reine Erfindung Harrisons. Er fühlte sich schuldig in einer Angelegenheit, die es überhaupt nicht gab. Und als ein Erpresser ihn bedrohte, schützte er sein Phantasiegebilde mit einem Mord. Die ultimo ratio ...«
    Er seufzte und stand auf. Dann verschwand er in seinem Büro und schloss die Tür, ohne zu bemerken, wie seine Worte auf die Frau wirkten, die mit aufgerissenen Augen und kalkweißem Gesicht im Vorzimmer saß.

Die Konkurrenz
    D ie Breite seines Lächelns und die Länge seiner Schritte hatten sich auffallend verändert, als Harrison Fell den Aufzug verließ und die Vorhalle der Werbefirma Bliss & Bakerfield, Inc. betrat. Das Mädchen vom Empfang erhielt ein aufmunterndes »Guten Morgen«, der Laufjunge ein ungewohntes »Guten Tag«, und Hilda, Fells Sekretärin, erhielt die Nelke, die er im Knopfloch seines Anzuges trug. Für einen Mann, den die in der Werbeagentur umlaufenden Gerüchte bereits zermalmt und ausgespien hatten, trat Harrison Fell seltsam uninteressiert auf.
    »Verbinden Sie mich mit dem hohen Chef«, sagte er
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