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Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
Autoren: Henry Slesar
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sich einer Sache gegenübersah, die für ihn neu und erstaunlich war. Mit beiden Händen packte er den Safe an einer Seite und wollte ihn anheben; er widerstand jedoch Sammys schwachen Muskeln. Mit fast flehendem Blick sah er Fell an. Dann flüsterte er etwas, und Fell gehorchte. Er winkte den drei Streifenbeamten zu, die nach vorn kamen und Sammy ›The Touch‹ dabei halfen, den 801 auf die Seite zu legen. Der Anblick der Hüter des Gesetzes, die mit einem Geldschrankknacker zusammenarbeiteten, beseitigte die Spannung zu einem Teil. Unterdrücktes Gelächter ertönte aus der Menge.
    Dann kniete Sammy sich hin und begann den Boden des Geldschranks genau zu untersuchen; Fell wusste, dass auch das nichts nutzte. Es gab zwar Geldschränke mit weicher Unterseite, aber der 801 gehörte nicht dazu. Sammy steckte einen neuen Bohrer in seine elektrische Bohrmaschine und machte sich an die Arbeit. Der Bohrer brach jedoch ab, und verstört betrachtete Sammy das abgebrochene Ende. Mit einer müden Bewegung veranlasste er die Polizisten, den 801 wieder aufzurichten.
    Um Viertel vor zehn war der Safe immer noch unverletzt, und Sammy griff nach dem Schneidbrenner. Eine halbe Stunde lang leckte die heiße weiße Flamme an der stählernen Tür des 801.
    Als Sammy den Versuch auf gab, war die Tür an einer Stelle, die etwa die Größe eines Tellers hatte, leicht verfärbt; der Geldschrank selbst war jedoch noch genauso unversehrt wie bisher.
    Sammys Hemd war durchgeschwitzt, seine Augen waren noch blasser und unglücklicher als bisher.
    »Er schafft es nicht«, flüsterte Winford“ Stark Fell zu. »Dieses Baby kriegt er nicht auf!«
    Harrison Fell lächelte zuversichtlich, sah jedoch gespannt zu, als Sammy den Behälter mit dem Nitroglyzerin ergriff. Das bedeutete, dass der 801 jetzt wirklich auf die Probe gestellt werden sollte, und gleichzeitig bedeutete es, dass das Lagerhaus bis zu den Türen geräumt werden musste. Den Laboranten der Holdwell Corporation war es nicht gelungen, den Safe mit Nitroglyzerin aufzusprengen, zumindest nicht mit jener geringen Menge, die erforderlich ist, um nur den Geldschrank und nicht das gesamte Gebäude zu sprengen. Aber trotzdem war der Augenblick äußerst spannend.
    »Alles zurück«, schrie Fell gebieterisch. »Alles bitte bis zum Ausgang zurück!«
    Der 801 hatte weder Schlüssellöcher noch andere Öffnungen, an denen Sammy den Sprengstoff anbringen konnte; er löste das Problem jedoch dadurch, dass er den Behälter in der Nähe des Scharniers festband. Dann suchte er sich auf dem Werkzeugtisch einen Hammer heraus, trat zehn Schritte zurück und schleuderte den Hammer gegen den Behälter. Es war ein ausgezeichnet gezielter Wurf. Sammy ließ sich zu Boden fallen und bedeckte seinen Kopf mit den Händen. Durch die Explosion klirrten sämtliche Scheiben in den Fenstern des Gebäudes, aber als der Qualm sich verzog, stand der 801 in seiner soliden Unzugänglichkeit immer noch fast unversehrt da.
    Sammy geriet jetzt tatsächlich in Schwierigkeiten. Es war fast elf, und er schien nicht weiterzukommen. Fast zwei Drittel der Zuschauer wanderten ab, um die Gastfreundschaft der Holdwell Corporation im Speisesaal der Geschäftsführung zu genießen. Um halb zwölf, als Sammy vor dem Safe hockte und sinnlos mit einem Stahldraht an dem Mechanismus herumstocherte, waren nur noch ein halbes Dutzend Zuschauer anwesend.
    Dann ergriff Sammy ein Stethoskop und wartete gespannt auf das Lösen der Halterungen. Aber der berühmte Jimmy Valentine war nur ein Mythos gewesen, und dasselbe galt für Sammys berühmtes Gefühl, den ›Touch‹. Sammy hatte Geldschränke aufgebrochen, aufgeschweißt, zerschlagen und aufgesprengt; aber nicht einen einzigen hatte er mit seinen empfindsamen Fingerspitzen öffnen können. Und soweit er wusste, war es auch keinem anderen bisher gelungen. Aber jetzt versuchte Sammy es doch, und der Schweiß lief ihm über die Stirn und hinter die abstehenden Ohren, während seine Augen starr und glasig blickten, seine Lippen ausgedörrt waren, sein Atem kurz ging und seine Hände zitterten. Es war Verzweiflung, die letzte Hoffnung.
    Um Viertel vor zwölf kehrten die Zuschauer zurück, um der letzten Runde des Kampfes beizuwohnen.
    Fünf Minuten später, als jeder den Atem anhielt und niemand sich zu räuspern wagte, hantierte Sammy immer noch am Zeitmechanismus herum.
    Dann waren es nur noch fünf Minuten.
    Sammy stand auf. Wie ein Betrunkener schwankte er hin und her. Mit einem tierischen
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