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Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
Autoren: Henry Slesar
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hochblickte, lag widerwillige Bewunderung in seinen Augen.
    »Schlecht ist diese Idee im Grunde nicht...«
    »Sagen Sie die Wahrheit, Chef. Das ist eine Bombe!«
    Bliss griff nach dem Telefon.
    »Hoffentlich gehen wir dabei nicht baden. Mal sehen, was Stark dazu meint.«
    Fell öffnete die Zigarrenkiste, die auf dem Schreibtisch von Bliss stand, und nahm sich eine Panatela. Der Chef hinderte ihn nicht daran.
    Fells Anzug, sein Hut mit der schmalen Krempe, die Nelke im Knopfloch und seine ganze Persönlichkeit passten keineswegs zu dem Haus, in dem Sammy Morrisey wohnte. Fell parkte seinen Jaguar zwischen einem Fleischwagen und einem bejahrten Chevrolet, blickte finster die struppigen Kinder an, die sehnsüchtige Blicke auf die Radkappen seines Wagens warfen, und stieg die abgetretene Treppe so nonchalant hoch, als wäre es die Treppe des University Club. Eine Wirtin mit Ginfahne begrüßte ihn und geleitete ihn zum obersten Stockwerk, wo Sammy Morrissey in ehrbarer Armut wohnte.
    Sammy war eine Enttäuschung. Er war klein und hager, ohne die geringste Spur von Gefährlichkeit, Gerissenheit und Charakter. Seine Augen waren eher unstet als starr. Sie waren rund und hatten die Farbe eines ausgeblichenen Baumwollstoffes. Er ähnelte mehr einem langsam alt werdenden Pfadfinderführer als einem Verbrecherkönig. Fell seufzte innerlich und versuchte sich vorzustellen, mit welchen Beleuchtungstricks ein Photograph dafür sorgen könnte, dass Sammy ›The Touch‹ gefährlicher als in Wirklichkeit aussähe.
    »Setzen Sie sich , sagte Sammy höflich. »Ihren Brief habe ich bekommen, Mr. Fell, aber ich bin nicht ganz...«
    »Die Geschichte ist doch völlig unkompliziert«, sagte Fell weltmännisch und setzte sich auf den Stuhl mit der geringsten Polsterung. »Mein Klient, die Holdwell Corporation, hat ein neues Produkt herausgebracht, von dem sie überzeugt ist, dass es völlig einbruchsicher ist. Wir möchten lediglich, dass Sie uns helfen, diese Behauptung zu beweisen.«
    »Ja – das habe ich schon verstanden«, sagte Sammy. »Ich meine auch nur, Mr. Fell, dass Sie mich nicht um Sachen bitten sollen, bei denen es um Geldschränke geht. Mit dieser Sparte habe ich überhaupt nichts mehr zu tun.«
    »Aber es geht doch alles völlig legal zu«, sagte Fell lächelnd. »Polizeimäßig ist die Sache absolut legitim. Sehen Sie – wir dachten an einen Mann Ihres Rufes...«
    »Den versuche ich gerade abzulegen, Mr. Fell.«
    Fell zog die Stirn kraus. Ganz so einfach schien die Geschichte doch nicht zu sein.
    »Sammy – ich darf Sie doch Sammy nennen, nicht wahr? Sammy, Sie wissen doch, was eine Anzeige ist?«
    »Ja, sicher, man sieht sie doch überall.«
    »Und darüber unterhalten wir uns jetzt, Sammy. Wir möchten, dass Sie in unseren Anzeigen erscheinen, als eine Art Zeuge...«
    »Als Zeuge?« sagte Sammy nervös.
    »Nicht wie bei Gericht.« erklärte Fell. »Sie sollen einfach unser Produkt loben – mehr nicht. Sie sollen den Leuten erzählen, wie sie versuchten, den 801 zu knacken, dabei jedoch feststellten, dass er absolut einbruchsicher ist.«
    »Mensch, Mr. Fell, kein Safe ist wirklich sicher.«
    »Wie das?«
    »Ich will damit sagen, dass es so etwas gar nicht gibt. Entschuldigen Sie, dass ich das sage, aber wenn man genügend Zeit und genügend Werkzeug hat, kann man jeden knacken. Jedenfalls bin ich nicht interessiert, Mr. Fell; ich betätige mich jetzt auf einem ganz anderen Gebiet...«
    Fell knirschte mit den Zähnen.
    »Sammy, versuchen Sie doch zu verstehen! Wir bieten Ihnen eintausend Dollar für den Versuch, diesen Safe zu knacken, und Sie können dabei jeden Trick anwenden, den Sie kennen._ Dazu lassen wir Ihnen genau drei Stunden Zeit; außerdem werden eine Menge Zuschauer dabei sein. Reporter, Polizisten...«
    »Polizisten?« Sammy wurde blass.
    »Nur als Zuschauer, um zu beweisen, dass Ihr Versuch auch legitim ist. Der 801 ist kein allzu großer Geldschrank, etwa einen auf anderthalb Meter; aber er besitzt einen neuen Zeitmechanismus, den die Holdwell-Leute für narrensicher halten. Man ist dort überzeugt, dass Sie es nicht schaffen, Sammy, und deshalb hat man Ihnen folgendes Angebot gemacht: In den Safe kommt ein Briefumschlag, der fünfzig Scheine über je tausend Dollar enthält. Wenn Sie den Geldschrank in den drei Stunden aufbrechen können, gehört das Geld Ihnen.«
    Sammys unschuldige Augen blinzelten.
    »Ist das ein Witz, Mr. Fell? Fünfzig Tausender?«
    »Fünfzigtausend, Sammy, und die gehören Ihnen,
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