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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)
Autoren: Emil Hakl
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I. GEH
HÖHER!
    1 DER WEG DER SYMBOLE IST GEFÄHRLICH, DENN ER IST EINFACH UND VERFÜHRERISCH
. Von wem der Satz stammt, daran kann ich mich gerade beim besten Willen nicht erinnern. Einer aus diesem Haufen Autoren, durch deren Schriften ich mich dieses Jahr wühle. Ich sitze auf der Rückbank eines Mégane, wir rasen Richtung Louny. Am Steuer Murgy, neben ihm der grinsende Rulpo. So hat er sich mir vorgestellt – Rulpo. Der untere Teil seines scharf geschnittenen Gesichts ist ein einziges breites Lächeln, das a priori allem und jedem gilt, und dahinter verbirgt sich ein seltsam unbestimmter Mensch.
    „Also?“, spitzt er seinen Mund.
    „Ja, ja“, sage ich.
    „Spürst du, wie’s näherkommt?“ Er saugt die Zischlaute ein. „Ist dir das bewusst? Spürst du’s? Dieses Sss-aaa?“ Er versucht, mir eine von seinen adrenalinschwangeren Erfahrungen oder so zu vermitteln.
    „Hm, da is was“, räume ich ein.
    „Und was?“
    „Dass es wahrscheinlich zu spät ist, wenn ich jetzt lieber aus der Sache aussteigen würde.“
    „Solche Fälle gibt’s auch“, bleckt er die Zähne. „Aber wenn du’s sein lässt, wirst du dir vorkommen wie ’n Stück Scheiße, und das willst du doch nicht, oder?“
    „Hhh“, mache ich.
    Er sieht, dass er mehr nicht aus mir rauskriegt, also dreht er sich wieder um, setzt seine Kopfhörer auf, richtet den Strahl seines Lächelns auf die Fahrbahn und versenkt sich in das regelmäßige Ticken.
    2 IN MEINER JACKENTASCHE ERTASTE ICH DIE BLANK GESCHEUERTE BRIEFTASCHE VON MEINEM ONKEL. Der ist sein Leben lang ein Haudegen gewesen. Als Künstler Autodidakt, war die Welt für ihn ein Stillleben mit den Resten eines üppigen Frühstücks. Besonders gern hat er Schlachtfeste gemalt, präzise festgehaltene Schweinehälften, ausgeweidete Bäuche, Platten mit dampfenden Blutwürsten. Ab und zu auch einen Metzger, aber von dem nur Mütze, Nacken und Rücken, Menschen konnte er nicht. Er schwitzte dabei, drückte aus den Tuben farbige Würste auf die Palette und vermischte sie mit einem Spachtel, paffte kubanische Zigarren und schnaufte. In der Zwischenzeit schleppte meine Tante die Kinder die Kolonnaden rauf und runter und stopfte sie mit Oblaten voll, damit sie nicht mit ansehen musste, wie ihr mein Onkel die Wohnung zum Saustall machte. Das Erbe, das er seinen Nächsten hinterlassen hat, zählte achtundneunzig Ölgemälde, eine Schar von Gläubigern und zwei bis drei uneheliche Kinder. Mir dient sein Portemonnaie als Letzte-Hilfe-Tasche, Papiere, Geldscheine, Rasierklingen, eine Schnur, eine Packung Tafil 1,0 mg für den Fall unerwarteter psychischer Belastung und ein Blister Stilnox. Falls mich das Schicksal zwingen sollte in der Kanalisation zu schlafen. Für die ersten paar Tage.
    Ich friemle eine Tafil heraus und schlucke sie. Hm, ein popeliges Milligramm – ich schieb mir lieber noch eine halbe unter die Zunge.
    3 WIR PASSIEREN DIE STADT LOUNY. Hinter den letzten Häusern öffnet sich das Land der Vulkankegel. Berge und Hügel, Berge und Hügel. Wir fahren zum nächstgelegenen. Der Berg kommt näher. Das Blau seiner Flanken geht in ein grünliches Grau über, das dann in ein angegrautes Grün. Er ragt kahl über uns auf wie Golgatha mit den drei Buckeln.
    Über die Hänge hinweg jagen silbrige Wellen, der Wind kämmt durchs Gras. Wir biegen ab, kommen durch einen Ort, kurven herum, verfranzen uns, setzen zurück, kehren um, fahren ein Stück weiter, parken und stellen den Motor ab.
    Die Jungs holen einen voluminösen Rucksack aus dem Kofferraum. Wir schnappen ihn uns von zwei Seiten und gehen einen Wanderweg rauf. Steigen in Richtung Sattel. Der Schweiß brennt mir in den Augen. Auf einen blühenden Löwenzahn kommt Pi mal Daumen eine Pusteblume.
    Murgy macht noch am steilsten Abhang Kraulbewegungen, hier einen Purzelbaum, da geht er ein paar Meter auf Händen. Rulpo mit seinen Kopf hörern sondert ein hohes Sirren ab, er singt im Kastratenfalsett und bringt den Sack zum Schwingen.
    In einem unbeobachteten Moment schiebe ich mir die restliche halbe Tafil unter die Zunge. Mit wem hab ich mich da um Himmels willen nur eingelassen?
    4 WIR SIND OBEN. Hier springt eine Unmenge rot-blau-grün-orange gekleidete Männchen rum. Dann schnallen sie mich auch schon in die Gurte. Auf dem Rücken zurren sie mir eine raschelnde, steife Halbschale fest, dann wühlen sie drin herum. Sie zupfen und zerren. Legen Leinen aus. In die Hände drücken sie mir Lenkseile. Murgy nennt sie Bremsen. Auf den Kopf
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