Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
PROLOG
     
    Das Mariandl hielt Don Julius bei der Hand und zog ihn immer tiefer in ein Gewirr krummer Gassen hinein. Er hätte sich nicht darauf einlassen sollen, dachte er. Das war ja der reinste Irrgarten hier, noch dazu in stockschwarzer Nacht. In seinem Rücken hörte er klappernde Schritte, wie von Holzpantinen, dann ein heiseres Getuschel. Er wollte stehen bleiben, sich umwenden, aber das Hürchen zog ihn unaufhörlich weiter.
    »Bloß noch ein paar Schritte, Euer Gnaden«, wisperte sie,
    »seht Ihr dort vorn die Laterne? Da ist es schon.«
    Aber Don Julius sah überhaupt nichts, nur Dunkelheit und Schatten und zuweilen die Sichel des Mondes, die hoch droben durch den schwarzen Himmel schnitt. Schwül war die Nacht, dabei hatte der Mai kaum erst begonnen.
    Sie bogen um eine Hausecke, und da ragte zu ihrer Rechten eine riesenhafte Mauer auf. Das muss ja der Stadtwall sein, direkt hinterm Hradschin, wunderte sich Julius, aber ich versteh’s nicht, hat sie mich im Kreis geführt? In seinem Kopf hockte eine Dumpfigkeit, als ob er halsaufwärts durch dicken Nebel liefe. Der Holler eben in der Schenke, vielleicht hat sie mir ein Zauberzeug hineingemischt, aber warum sollte das Mariandl so was tun? Und welcher Unselige würde sich erdreisten, Don Julius Caesar, dem Erstgeborenen Ihrer Kaiserlichen Majestät, an den Kragen zu gehen?
    Er stolperte über einen Pflasterstein und wollte wieder stehen bleiben, da schob das Mariandl einen Arm unter Julius’ Umhang, seine Mitte mit festem Griff umschlingend. Er spürte die Weichheit ihres Leibes und atmete ihren Duft nach heißem Schweiß und Schoß. Ah, gleich will ich in dir ersaufen, dachte Julius, umso besser, wenn ihr Sterngucker so nah bei der Burg haust. Fügsam ließ er sich weiterziehen. Als er nach vorn sah,
    funzelte dort tatsächlich eine Laterne, trübes Licht hinter gelbem Glas. Daneben eine Tür. Mit der Schulter drückte das Mariandl dagegen, und kuhwarmer Dunst schlug ihm ins Gesicht.
    »Nur herbei, wer’s auch sei.« Ein Krächzen im Dunkeln, eher Raben-als Menschenstimme, vom Sprecher selbst war keine Feder und kein Haar zu sehen.
    Das Mariandl schleppte Julius tiefer in die Höhle. Ein Vorhang glitt zur Seite, blinzelnd blieb der Kaisersohn stehen. Ein kleiner Tisch, darauf eine Kerze, an einer Spiegelscherbe klebend, die das Licht empor zur Decke warf. Dahinter hockte ein graubärtiger Zwerg, auf einen Pergamentfetzen schielend, den er mit beiden Händen vor seinen Augen ausgespannt hielt.
    »Exzellenz«, krächzte der Alte, »wie befohlen hab ich den Himmel ausgelesen.« Er ließ das Pergament sinken und buckelte im Sitzen zu Julius hinauf. »Verzeiht, wenn ich mich nicht erhebe, Euer Gnaden, mein Leib gleicht einem Weiler, der von den Muselmanen gebrandschatzt worden ist.«
    Er hustete rasselnd, die Kerze flackerte, dass die Schatten der Besucher tanzten: Julius’ hohe Gestalt im Umhang, an seine Seite gedrückt das viel kleinere Mariandl mit den struppig aufgesteckten Locken. Selbst die Adlerfeder auf seinem Hut, das auf die Schultern fließende Haar und das spitze Habsburger-Kinn zeichneten sich zitternd auf den Wänden ab.
    Als der Alte auch noch Anstalten machte, die Leibsruine unter seinen Lumpen freizunesteln, hob Julius rasch eine Hand. »Das Horoskop, Kerl.« Ihn schauderte, nicht nur wegen dem Mariandl, das ihre Hüfte an seinem Schenkel rieb. »Les er’s vor, aber hoppla, sonst lehr ich ihn hier drinnen Sterne sehn.«
    »Sehr wohl, sehr wohl, Euer Liebden.« Knochendürre Hände rollten abermals den rissigen Fetzen aus. »Mit Genauigkeit kann ich voraussagen, was die Sterne für Euer Liebden vorsehen. Ein waches, emsiges, unruhiges Gemüt habt Ihr, herrliche Gnaden. Nach allerhand Neuerungen gierend, dem gemeinen menschlichen Wesen
    und seinen Händeln abgeneigt. Stattdessen nach unversuchten oder doch seltsamen Mitteln trachtend, und dabei um vieles mehr Euch insgeheim denkend, als Ihr äußerlich sehen und spüren lasst. Denn Saturnus im Aufgang macht müßige, melancholische, allzeit wache Gedanken. Saturn bringt Neigung zu Alchemie und Magie, zur Gemeinschaft mit den Geistern, zu Verachtung menschlicher Gebote und Sitten, sogar der Religionen. Saturn macht Euch alles verdächtig, was von Gott oder von den Menschen kommt, als ob es samt und sonders Betrug und Vorspiegelung wäre.«
    Wahr gesprochen, dachte der Kaisersohn, aber warum ist mir bloß so dumpfig zumut? Die stickige Luft in diesem Stall machte es nur noch schlimmer, doch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher