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@ E.R.O.S.

@ E.R.O.S.

Titel: @ E.R.O.S.
Autoren: Greg Iles
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Prolog
    L
ieber Vater,
    wir sind gestern abend in New Orleans gelandet.
    Eine feuchte Stadt.
    Flach, tief, weitläufig. Eine einzige Gruppe hoher Gebäude in der Ferne.
    Der Taxifahrer war überraschenderweise ein Cajun. Ein hagerer, brauner, runzliger Mann. In Chinatown erwischt man nie einen Chinesen als Taxifahrer. Ich hätte mit einem Osteuropäer gerechnet, wie man sie überall findet.
    Er schaute immer wieder in den Rückspiegel, während wir durch eine alte Vorstadt fuhren, die er »Metry« aussprach. Hier sind die Weißen einst vor »de Niggas« geflohen. Jetzt fliehen sie über den Lake Pontchartrain. Ich habe an dem Computer auf meinem Schoß gearbeitet, aber mit einem Ohr seinen Worten gelauscht.
    Die Nacht brach herein über einem aufgehenden Mond, als wir auf einen höher gelegenen Teil des Freeways und dann vorbei am Superdome fuhren. Kali muß ein schwarzer Schatten für ihn gewesen sein, neben mir auf dem Rücksitz, ein Schatten mit leuchtenden schwarzen Augen.
    Sie wollte den Fahrer umbringen.
    Ich spürte es.
    In ihrer Handtasche der Schal – die heilige Waffe. Ich sehe ein Bild in ihrem Kopf: Er hält an einer Ampel, als wir die Abfahrt zur Unterwelt der ebenerdigen Straßen nehmen. Sie legt die Schlinge um seinen Hals und raubt ihm heimlich das Leben ...
    Ich lege eine Hand leicht auf ihr Handgelenk und spüre ein Zucken, das meinen Eindruck bestätigt. Sie ist bereit.
    Ich weiß, wenn ich die Hand unter ihren Sari schiebe, werde ich feststellen, daß sie feucht ist. Sie lebt für diese Abende.
    Ich hoffe, daß die Sicherheitsvorkehrungen nicht strenger als erwartet sind.
    Ich schiebe die Hand unter ihren Sari.
    Sie ist naß. Geradezu glühend heiß.
    Zeit ist Feuer.
    Wie gegensätzlich wir doch sind, wie absolut gegensätzlich.
    Ich kann mich zurückhalten. Weiß mich zu beherrschen.
    Trotze der Sache.
    Kali kennt nur das Leben.
    Sie legt den Kopf auf die Rücklehne; schwarze Augen funkeln durch halb geschlossene Lider. Ich bewege meine Hand, während wir die Abfahrt hinab auf den Poydras fahren, und rette dem Fahrer damit wahrscheinlich das Leben.
    Wir fahren weiter zum Canal und French Quarter.
    Kali kommt lautlos zum Höhepunkt.
    Der Fahrer riecht sie. Beißend, scharf. Ich erkenne Wachsamkeit auf seinem Nacken, so wie er den Kopf schräg hält. Seine Blicke schießen wieder zum Rückspiegel. Eine Hure? fragt er sich.
    Kali lächelt ihn im Spiegel an. In ihrem Lächeln liegt Tod. Tod, in den ein Mann vielleicht freiwillig geht. Sie ist betörend schön. Und so sollte es auch sein.
    Du hast ihrem Vater viel Geld für sie bezahlt.
     
    Wir verließen das Taxi vor Galatoire’s, betraten das Restaurant, gingen sofort wieder und wechselten noch zweimal das Taxi.
    Ermüdend, aber nützlich.
    Die Absicherung der Villa war beträchtlich, aber nicht schlimmer, als ich erwartet hatte. Eine kleine Privat-Armee,wie es sich für eine amerikanische Kultfigur gehört. Leibwächter, die man von Gott weiß was für einer Agentur angeheuert hatte – wahrscheinlich irgendein Haufen, der von einem Expolizisten geleitet wurde, der sich in Ausübung seines Jobs zwanzig Jahre lang einen hinter die Binde gegossen hatte.
    Das Schmiedeeisen des Zauns war von erlesener Qualität, französischer Einfluß. Ich ließ die rechte Hand über die Spitzen gleiten, als wir daran vorübergingen. Ich würde mir an ihnen blaue Flecken holen, das wußte ich, aber ich fühlte mich fit.
    Fast verwegen. Das Gitter entsprach denjenigen auf den Balkonen des ersten Stocks.
    Pittoresk.
    Auf der Straße drängten sich alle möglichen Touristen. Die meisten davon Gaffer. Ich neigte den Kopf, als wir an den Wachposten am Tor vorbei gingen. Einer nickte leicht, schaute auf meine Aktentasche. Der andere folgte mit den Blicken Kali. Selbst der sich bauschende Sari konnte die scharfen Konturen ihres Körpers nicht verbergen.
    »Gleich wenn wir um die Ecke sind?« fragte sie.
    »Sobald nicht mehr so viele Leute da sind.«
    Als wir um die Ecke bogen, schmolz die Menge dahin, als hätte irgendein Inspizient sie verscheucht. Kali raffte den Sari und war innerhalb von ein paar Sekunden über den Gitterzaun und zwischen den Palmwedeln und Bananenbäumen. Ich war vorsichtiger. Ich schob die Aktentasche zwischen den Gitterstäben hindurch und kletterte dann hinüber.
    Wir standen dicht nebeneinander zwischen den tropfnassen Bäumen und schauten zu der von Flutlicht erhellten Fassade der Villa hinüber. Solides Mauerwerk, wie ein Nebengebäude von
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